Liebe Workshopteilnehmer,
ich freue mich, dass Sie alle hier so eifrig zusammen gekommen sind, um auch als Fortgeschrittene an unserem kleinen Kurs “Extreme Trainerstuhlsäging” teilzunehmen. Als kleine Erinnerung: Im ersten Teil unseres Kurses lernten wir, dass die beste Position, um die Weiterbeschäftigung eines Fußballlehrers zu verhindern, die des Redakteurs oder Reporters einer Boulevardzeitung ist. Insbesondere dann, wenn die Stadt, in der Sie sich befinden, medial fest in der Hand Ihres Herausgebers ist.
Heute wollen wir uns einen etwas schwereren Fall vornehmen als, sagen wir einmal, eine lange Niederlagenserie, eines beschlossenen Abstiegs oder ähnlich Eindeutiges. Nehmen wir mal an, der Verein, um dessen Trainer es geht, hat nach einem schlechten bis durchwachsenem, aber keineswegs aussichtslosen, Start ein richtig gutes Spiel gemacht. Zu Hause, vor den Augen der städtischen Öffentlichkeit. Gegen eine Mannschaft aus der Tabellenspitze. Wenn es gut für Sie, liebe Workshopteilnehmer, läuft, hat der Verein nur Unentschieden gespielt, obwohl mehr drin gewesen wäre. Trotz dieser schlechten Punktausbeute herrscht allgemeine Zufriedenheit, denn die Mannschaft hat gegen einen schweren Gegner ein beherztes Spiel und guten Fußball gezeigt. Aber werfen Sie nicht die Flinte ins Korn: Wenn es zum Beispiel richtig gut für Sie läuft, dann führt dieses Unentschieden dazu, dass der Verein aufgrund des mageren einen Punktes nur 17. nach Ablauf des gesamten Spieltages ist.
Da gilt es vorbereitet zu sein!
Was also tun? Schließlich können Sie nicht einfach draufhauen, wie es sonst Ihre Art ist, die ganze Stadt hat ja gesehen, dass das Engagement der Mannschaft hoch war, dass sie spielerisch zu überzeugen wußte, dass sie trotz einer Schwächephase, in der sie auch das Gegentor kassieren musste, sich wieder ins Spiel zurück kämpfen und spielen konnte. Nein, mit draufhauen erreichen Sie hier niemanden. Da gilt es subtiler vorzugehen:
Legen Sie einen ersten Schwerpunkt auf die nervöse Stimmung im Umfeld und unter den Fans vor dem Spiel. Betonen Sie Ihre Mitarbeit am Entstehen dieser Stimmung und präsentieren Sie sich als Ventil, als Vertreter der Unzufriedenen, der Ungehörten. Schreiben Sie zum Beispiel: “Mit der „kölschen Klagemauer“ hatte [Name Ihrer Zeitung] den Fans ein Forum gegeben. Mit Briefen und im Internet hatten die FC-Anhänger ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Vor dem Anpfiff gab es Pfiffe gegen Trainer [Name des Trainers].”
Das aber ist angesichts des anschließenden couragierten Auftretens der Mannschaft wenig bis gar nichts wert, wenn Sie nicht in der Lage sind, eine Verbindung herzustellen zwischen Ihrem oppositionellen Tun und dem Spiel der Mannschaft. Seien Sie mutig, setzen Sie Zeichen, aber lassen Sie ein kleines Hintertürchen offen. Schreiben Sie also weiter: “.. Vor dem Anpfiff gab es Pfiffe gegen Trainer [Name des Trainers]. Und das zeigte offenbar Wirkung: Nur auf zwei Positionen verändert, aber wie verwandelt kamen die Kölner aufs Spielfeld. Bissig in den Zweikämpfen, ideenreich im Spiel nach vorne..” – Haben Sie das verstanden? Ihr Engagement, meine Damen und Herren, hat ganz offenbar dazu geführt, dass eine Mannschaft nicht nur wie verwandelt und bissig spielt, sondern zudem noch ideenreich. Sie haben vollbracht, wozu der Trainer, dessen Kopf Sie rollen sehen wollen, nicht in der Lage ist.
Nun haben wir also dem Leser klar gemacht, wer wirklich für diese Veränderung im Spiel der Mannschaft verantwortlich ist. Aber vergessen wir nicht, es ist ja Ihre Aufgabe, eine Weiterbeschäftigung des Trainers alsbald zu verhindern. Da ist es auch in guten Stunden nötig, deutlich zu machen, dass diese guten Stunden trotz des Trainers und nicht seinetwegen erreicht wurden. Wenn Sie hier keine Beweise finden können – das macht doch nichts. Behaupten Sie einfach etwas. Schreiben Sie zum Beispiel: “Danach schien der FC die Gäste in Grund und Boden zu kämpfen. Doch von der Bank kamen immer wieder Signale, einen Gang runterzuschalten. Der falsche Weg.” Niemand außer Ihnen hat diese Signale gesehen? Kein Problem, glauben Sie mir, es geht darum, in der nächsten schlechten Situation auf etwas verweisen zu können, dass zeigt, dass dieser Trainer auch in guten Zeiten im Weg stand und das Positive verhindern wollte. Nur so, werte Teilnehmer, können Sie eines Tages Ihr Ziel erreichen.
Zum Abschluß noch einen kleinen Tipp: Bleiben Sie flexibel! Sie haben zum Beispiel den ganzen Sommer über die hoffnungsvolle Zukunft des jungen Spielers T.Y. im offensiven Mittelfeld bejubelt? Der mußte nun auf die Bank, ausgetauscht gegen den, ein gutes Spiel machenden, ebenfalls recht jungen A.M.? Ignorieren Sie einfach, dass Ihr dies auf Kosten des von Ihnen protegierten Spielers T.Y. ging, ignorieren Sie einfach, dass Sie noch im letzten Spiel die Einwechslung A.M. als taktische Frechheit brandmarkten und fragen Sie empört “Warum schmorte er so lange auf der Bank?”. Seien Sie flexibel. Sie haben ein Ziel zu erreichen! Da hilft Ihnen weder Logik noch Anstand.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.