Es war also so, dass kürzlich diese Grafik des reddit-Users /u/Mahoganyjoint durch das soziale Netz ging: Eine Karte Londons, auf der 31 Fußballvereine aus den ersten acht Ligen eingetragen waren. Ihr Wappen, dazu der Spielort des Vereins, fertig. Kein riesiger Aufwand, man könnte sagen, wenig Information.
Weit gefehlt, so finde ich. Ja, gewiss, wenig Handfestes. Keine Spielfeldmaße, man erfährt auch nicht, wie viele Spieler innerhalb eines bestimmten Zeitraums Linksfüßler waren. Und doch erzählt ein kurzer Blick soviel. Ein Überblick über die Stadt. Wo Vereine erfolgreicher sind. Die Verteilung der Vereine. Und natürlich die Wappen. DIE WAPPEN! Wappen sind eine wunderbare Sache. In England ist es ja so, dass Vereine oft einfach ihr Stadtwappen übernommen haben, in Teilen oder in Gänze. Das wird dann gerne sehr verschnörkelt und kleinteilig. Manche haben ihr Wappen zwischendurch modernisiert, es gibt aber erfrischend wenige Logos. Zu dem Unterschied zwischen Logo und Wappen später mehr.
Anyway, dachte ich mir, also, Irgendweg, dachte ich mir, das würde ich auch mal gerne von deutschen Städten sehen. Berlin zum Beispiel. Gedacht, getan. Zack, fertig (Oder so ähnlich).
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Natürlich ist Berlin eine deutlich kleinere Stadt, und auch unabhängig von der Größe ist England in jeder Hinsicht deutlich hauptstadtbezogener als Deutschland. Der Unterschied an höherklassigen Vereinen ist trotzdem eklatant: London kommt auf 5 Erstligisten, 3 Zweitligisten und 2 Drittligisten, zehn Vereine in den ersten drei Ligen – Berlin kann nur Hertha und Union vorweisen. Aber gut, das ist sicher auch noch eine Folge der Teilung, mal gucken, wie das in zehn, fünfzehn Jahren aussieht.
Apropos Teilung: Auch hier ist sie noch sichtbar, nur acht der angezeigten 34 Vereine kommen aus dem ehemaligen Ostteil der Stadt. Das wird ein bisschen relativiert, bedenkt man, dass zumindest in der Bundesliga und in der Dritten Liga das Verhältnis ausgeglichen ist, dass im Unterbau, also 5. und 6. Liga aber 22 Mannschaften aus dem Westteil und nur 4 aus dem Ostteil spielen, lässt sich nicht eskamotieren.
Was meines Wissens nach, ich lasse mich da aber gerne belehren, eine Berliner Eigenart ist, ist die Fahne als Wappen. Hertha, Hertha Zehlendorf, Blau-Weiß 90, Tasmania, Sparta – der Verdacht liegt nahe, dass das offenbar mal sehr trendig war. Wer da der erste war, mögen andere wissen, ich weiß es nicht. Blau-Weiß 90 Berlin jedenfalls wurde 1927 gegründet, durch Fusion zweier Vereine, einmal Vorwärts 90, die das „90“ mit in die Ehe brachten und, festhalten, dem Berliner Thor- und Fußball-Club Union 1892, der die Fahne aus dem eigenen Wappen mitbrachte. Dass möglicherweise ein Verein namens Union der erste mit Fahne war (gegründet am 8. Juni 1892, die damals noch Weddinger, heute Charlottenburg-Wilmersdorfer Hertha wurde am 25. Juli des gleichen Jahres gegründet), finde ich einen amüsanten Gedanken. Aber gut, das müsste man gründlicher recherchieren, so ist das natürlich nur anekdotische Plauderei.
Was Hertha, also die Wedding-Charlottenburg-Wilmersdorfer, nicht die Zehlendorfer, den anderen Fahnenvereinen voraus hat, ist, dass sie den wirklich unsinnigen Kreis drumherum losgeworden ist. Irgendein volltrunkener Mensch muss mal sehr viel Energie darauf verwandt haben, Berliner Wappendesigner:innen einzureden, dass da ein Kreis drumherum muss. Das ist in manchen Fällen sicher nötig, wenn das eigentliche Wappen keine Eigenständigkeit hat, ein Hallo an dieser Stelle nach Staaken, Frohnau, Hohenschönhausen oder Biesdorf zum Beispiel, oft aber völlig unsinnig. Das schlimmste Verbrechen an dieser Stelle ist das Wappen der 47er aus Lichtenberg. Das hübsche L, die 47, dazu meinetwegen noch der dünne Kreis, fertig. Perfekt. Aber nein, es muss noch unbedingt hässlich gemacht werden durch einen dicken Kreis drum herum, in dem alles steht, was in einen Briefkopf gehört. Hallo Lichtenberg, falls jemand zuhört: Weg damit. Echt mal.
Insgesamt ließe sich aus grafischer Sicht vieles verbessern. Manches ist auf Clipart-Niveau. Was zum Teufel, Mahlsdorf? Was lief schief, Altglienicke? Nicht viel Geld gehabt, Türkspor, das verstehe ich, aber trotzdem!
Dass aber Modernisierung nicht immer gut ist, selbst wenn das Ergebnis professionell ist, zeigt das neue Logo, ja Logo, der Reinickendorfer Füchse. Entschuldigung, der Füchse Berlin Reinickendorf. Bis 2012 hieß der Verein noch Reinickendorfer Füchse und hatte ein hübsches, Geschichte atmendes Wappen. Dann beschloss man aus dem vielseitigen Verein eine moderne Marke zu machen, zerstörte den Namen zu einem sinnlosen Ungetüm und ersetzte das wunderbare alte Wappen durch ein smartphonegerechtes, shiny, ecken- und kantenloses Logo, das sich alle Mühe gibt, nicht aufzufallen. Eine echte Schande.
Zum Abschluss noch ein paar meiner Favoriten. Auch wenn ich ein Traditionalist bin, gefallen mir doch die Wappen besonders, die schlicht sind oder sehr eigen. Das C des SC Charlottenburg ist gut (und ist das, was L47 sein könnte), das Union-Wappen mag ich aufgrund der Eigenheit sehr (bin da aber natürlich auch nicht unparteiisch). Das R des TSV Rudow sticht heraus, das modernisierte Wappen der Viktoria gefällt mir (der Vorgängerverein hatte ganz urspünglich mal eine Fahne), den 40 / 50 Jahre-Charme Empors mag ich.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum 1.FC Novi Pazar 95, der eigentlich 1. FC Novi Pazar Neukölln 95 heißt. Und bis vor drei Jahren noch 1. FC Neukölln hieß (und ein Wappen mit gelber Fahne hatte). Dass ich im September letzten Jahres bei einem Auswärtsspiel Spartas Schwierigkeiten hatte, den Verein zu finden, ist nicht verwunderlich. Im Internet tatsächlich oft noch unter altem Namen geführt, hat der Verein seine Geschäftstelle in Steglitz und spielt in Gesundbrunnen, die reiche Neuköllner Geschichte komplett ausradiert und vernichtet. Äußerst schade. [Mehr dazu] Aber hej, der Font im neuen Wappen ist der, den auch Barcelona mal benutzte.