Łukasz Józef Podolski

Das erste Mal, dass mir der Name Lukas Podolski begegnete, war noch zu B-Jugend-Zeiten. Das sei einer mit ganz großer Zukunft wurde im damaligen Fanforum (Wir hatten ja nüscht anderes) des 1.FC Köln geschrieben und vermutlich rollte ich genervt mit den Augen. Zu jenen Zeiten galt jeder Jugendspieler des Vereins, dem nicht bei drei der Ball versprang, als Omen einer besseren Zukunft, war Projektionsfläche des Wunsches, die Mannschaft würde endlich wieder erfolgreichen Fußball spielen, wenn der Verein nur endlich auf junge und lokale Spieler statt auf altgediente und satte Millionäre setzte. Ein verständlicher Wunsch, und doch ein närrischer Irrglaube, als würde die Jugend des FC aus lauter Rohdiamanten bestehen. Noch so einer also, jetzt hochgejazzt, später im Heer der Namenlosen verschwunden. Oh boy, was I wrong.

An den ersten Einsatz für die Profimannschaft, eine Niederlage des Tabellenachtzehnten gegen den HSV, kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an sein erstes Tor für den FC, das vier Wochen später folgte: Ausgerechnet ein Kopfball. Dabei waren zwei andere Tore in jener Saison merkenswerter, der Siegtreffer gegen den Gladbacher Erzfeind – spätestens da wurde er zum Helden – und jener Heber zur zwischenzeitlichen Führung gegen die Bayern, der Oliver Kahn so wunderbar alt aussehen ließ. Doch alle zehn Tore in neunzehn Spielen nützten nichts, am Ende stieg der FC ab und es spricht eine deutliche Sprache darüber, wie gut Podolskis Talent schon damals erkennbar war, dass es lange und anhaltende Diskussionen gab, ob er nicht viel zu gut für die zweite Liga sei. Damit hatte sicher auch die Nominierung zur Nationalmannschaft und dem EM-Turnier in Portugal zu tun, von den Fans bejubelt, von den Experten kritisiert. Oh boy, were they wrong.

Es wäre sicher deutlich zu viel des Guten, wenn man Lukas Podolski zuschreiben würde, er habe den Wandel in der Nationalmannschaft angestoßen. Das waren natürlich die Trainer, ein bisschen Völler, vor allem aber Klinsmann und Löw. Aber er war, viel mehr als der gleichzeitig dazustoßende Schweinsteiger, das Symbol, das Symbol einer Hoffnung auf bessere Zeiten, wieder einmal. Fast zehn Jahre lang war der Fußball der Nationalmannschaft niedergegangen. Gerumpelt wurde schon immer, jetzt aber auch noch erfolglos. Alles, was Podolski fußballerisch ausmacht, die Lust am Spiel; das große Talent; die mentale Stärke, die Zeit seiner Karriere immer nur unzureichend als „Unbekümmertheit“ bezeichnet wurde; die Schnelligkeit in Beinen, Fuß und, ja, das wird den oberflächlichen Kritiker überraschen: auch im Kopf – all das fehlte dieser Mannschaft. Seit vielen Jahren. Und all das wurde später zum Markenzeichen der Löwschen Entwicklung der Nationalmannschaft in der ersten Phase von 2006 – 2010. Podolski war die Oase im Grauen der Post-Ribbeckschen Rumpelei und später wichtiger Bestandteil des besten Fußballs, den die deutsche Nationalmannschaft je über einen längeren Zeitpunkt spielte. Vorläufiger Höhepunkt hierbei wohl die WM 2010, als der überfallartige Konterfu.. ‘tschuldigung: das schnelle Umschaltspiel in begeisternden Spielen gegen England und Argentinien mündete. Das war Podolskis Spiel, selten konnte er seine Fähigkeiten besser ausspielen.

Schwierig wurde es immer dann, wenn der jeweilige Trainer auf Ballbesitzfußball Wert legte oder der Gegner sich regelmäßig weit zurückzog. Beim FC Bayern war dies weitgehend der Fall – womöglich Podolskis schlechteste Karriereentscheidung. Das endlose herumpassen des Balls, das ewig indirekte Spiel, nicht seins. Nicht nur, aber auch, weil ihm dazu der rechte Fuß fehlt, so unglaublich stark der linke, so schwach der rechte, immer schon. Auch deshalb fand er sich bei Löw nach dessen taktischer Umstellung ab der EM 2012 immer häufiger auf der Ersatzbank.

Dass es auch bei Mannschaften dieser Art anders geht, zeigte die kurze Zeit unter Heynckes am Ende seiner Zeit bei den Bayern: 5 Spiele, 5 Torvorlagen, 2 Tore. Es gibt diese Spieler, die unter fast jedem Trainer ihre Höchstleistung abrufen können und dann jene, die einen Trainer brauchen, der sich darum bemüht, die Spieler individuell anzusprechen und sie so zu ihren besten Leistungen zu bringen. Podolski ist so einer. Das wird in Deutschland dann gerne mit Nestwärme verwechselt und unter dem Strich negativ gesehen: Wer nicht immer und unter allen Umständen Leistung abliefert, will ja eigentlich gar nicht.

Überhaupt haben sich manche Vorurteile nicht von der Zeit hinfort spülen lassen. Ein simpler Geist sei Podolski, sagen sie, und vergessen dabei immer, dass Deutsch nur seine Zweitsprache ist. Sicher und ohne Zweifel, Phillip Lahm ist ein eloquenterer Gesprächsgast, aber kann er das auch auf polnisch? Und wer immer noch, wie dieser namhafte Blogger, glaubt, Podolski sei „defensiv nicht existent“, war in den vergangenen 13 Jahren vermutlich mehr damit beschäftigt, seine Vorurteile zu pflegen, als Fußball zu gucken. Ich jedenfalls habe lebhaft vor Augen, wie Podolski zum Beispiel zu unseligen Solbakken-Zeiten wieder und wieder dem eigentlich hinter ihm postierten, aber leider häufig überforderten Christian Eichner aushalf. Ein Problem, welches ihm auch in der Nationalmannschaft begeleitete: Wer es schafft, ohne nachzusehen, alle linken Verteidiger der Jahre 2004 – 2016 aufzuzählen, kriegt ein Eis von mir. Ein Tipp: Gut waren die meisten nicht.

Aber nun ist es auch wurscht. Das letzte Länderspiel, die Nationalmannschaft, zu der ich immer ein gespaltenes Verhältnis habe, wird fortan für mich nicht mehr dieselbe sein. Podolski warf das Licht, das die Schatten vertrieb. Und auch im Trikot des von ihm wie von mir geliebten Vereins wird man ihn nicht mehr sehen, ein Drama. Man stelle sich vor, Peter Stöger hätte jetzt den 19jährigen Podolski zur Verfügung. Ach, ach.
Aber jetzt nicht sentimental werden, ein letztes Mal noch genießen, bevor es dann für immer heißt: Podolski fehlt an allen Ecken und Enden.