So here we are. In der vorerst finalen Ausgabe unser kleinen Reihe der regionalen Wappenkunde verlassen wir erstmals die heimatlichen Gründe und genießen stattdessen einen fußballheraldischen Rundflug durch die Welthauptstadt des Fußballs. Brace yourself, Groundhopperfernweh incoming.
Buenos Aires. 31 Vereine in den ersten zwei Ligen. 31 Stadien mit einem Fassungsvermögen von 854797 Zuschauern. Ja, das haben Sie richtig gelesen, werte Leserin und werte Leser: 850.000. Ich habe das jetzt nicht gegengeprüft, aber ich könnte mir vorstellen, dass es weltweit nicht viele Städte gibt, die über soviele Zuschauerplätze in Erst- und Zweitligastadien verfügen.
Ja, aber Moment, höre ich Sie sagen, von welchem Buenos Aires reden wir denn hier? Und Sie haben recht, Buenos Aires ist, wie viele andere Großstädte außerhalb Deutschlands, eine Matrjoschka: Es gibt die Cuidad autónoma de Buenos Aires (1), mit gut 3 Millionen Einwohnern in 48 Barrios, drumherum findet sich Gran Buenos Aires (2), die Metropolregion mit weiteren 10 Millionen Einwohnern, darum noch einmal ein Ballungsraum mit weiteren 4 Millionen (nicht im Bild und das ganze liegt in der Provinz Buenos Aires (3). Alles klar soweit?
Ich habe mich für diese Grafik für die Variante 2 entschieden, nicht dass die eigentliche Stadt mit 13 Erst- und Zweitligisten auf knapp 3 Millionen Einwohner nicht schon verheißungsvoll genug wäre. Aber einerseits ist es aus der Ferne nicht einfach, in tieferen Ligen weiteren Vereinen nach zu recherchieren, und zum anderen liegt Independiente, der offiziell beste Verein Argentiniens, in Avellaneda (bitte sprechen Sie das Doppel-L nicht spanisch, also mit J wie in Sevilla oder Mallorca aus, sondern wie es die Porteño, die Einwohner der Stadt, und mit ihnen der Rest des Landes tun: mit einem sehr weichen sch. Aveschaneda. Oder Sevischa. Maschorca. Sie verstehen das Prinzip), in Avellaneda also, knapp außerhalb der Autonomen Stadt BsAs. Und wer wollte Independiente bei einer solchen Karte nicht dabei haben? Eben.
Tatsächlich ist es auch so, dass der Übergang nicht erkennbar ist. Außerhalb Gran Buenos Aires’ in den Ballungsraum hinein franzt es dann aus, aber zwischen der Autonomen Stadt und der Metropolregion ist kein Unterschied erkennbar.
(Klick aufs Bild = Größere Ansicht in neuem Tab)
Hätten wir das so ungefähr geklärt, müssen wir ein Wort zu der Ligastruktur verlieren. Dies wird viel Platz in diesem Artikel einnehmen, sehr konfus sein, am eigentlichen Thema auch vorbeigehen, trotzdem gesagt werden müssen und mindestens die Hälfte aller Leserundleserinnen werden abspringen. Jenen sei hiermit schon mal freundlich Adieu gewunken, für alle anderen flechte ich hier und da [tl/dr]s ein.
Im Allgemeinen und im Besonderen: Allgemein gesehen haben die Argentinier einen Fetisch, so jedenfalls meine insgeheime Erklärung, der sie dazu zwingt, das Ligasystem so oft wie möglich zu verändern. Ich verfolge die argentinische Liga intensiv seit etwas über 15 Jahren und ich habe irgendwann aufgegeben, verstehen zu wollen, wie gerade gespielt wird. Ich möchte diesen, zur besseren Lesbarkeit von mir leicht abgeänderten, Abschnitt aus der deutschen Wikipedia zum Ligasystem der Jahre 2012 – 2020 zitieren:
„Hin- und Rückrunde einer Saison wurden bis 2011/12 als eigenständige Meisterschaften ausgetragen (Apertura-und-Clausura-System). Nach der Reform des Spielmodus 2012, also ab der Saison 2012/13, wurden Hin- und Rückrunde unter den Namen Torneo Inicial und Torneo Final separat ausgetragen, es gab jedoch nur einen Meister pro Saison. Die beiden Erstplatzierten aus den Saison-Hälften trafen in einem Endspiel aufeinander. [..] In der Saison 2013/14 wurde der Modus wieder auf Hinrunden- und Rückrunden-Meisterschaft geändert. Das Superfinal der Meister aus Torneo Inicial und Torneo Final war ein eigener Titel. Seit 2015 wurde die Primera División mit 26 Teilnehmern ausgetragen und ein einziger Meister ausgespielt. Die 25 Partien pro Team setzen sich aus einer Einfachrunde und einem zusätzlichen Derby zusammen. Ab der Saison 2016/17 wird die Meisterschaft nicht mehr kalenderjährlich ausgespielt, sondern der Kalender an die europäischen Ligen angepasst. Ab der Saison 2019/2020 hin wurde die Anzahl der Teams von 26 auf 24 reduziert.“
[tl/dr: Das System der argentinischen Liga wird ca. einmal im Jahr geändert.]
Im Besonderen kommt es pandemiebedingt zu bislang zwei Zwischenturnieren. Als Covid-19 Südamerika erreichte, war die Vorrunde 19/20 gespielt und die Saison wurde an der Stelle beendet. Die neue wurde gar nicht angepfiffen, stattdessen gab es die Copa de la Liga Profesional, die in sechs Vierergruppen, bitte bleiben Sie bei mir, zwölf Mannschaften ausspielte, die dann untereinander in zwei Sechsergruppen zwei Gruppenerste ausspielte, wir haben es fast geschafft, die dann in einem Endspiel den Sieger / Meister / Whatever dieses dreimonatigen Turniers kürten.
Seit Mitte Februar läuft nun die zweite Ausgabe dieser Copa de la Liga Profesional, die jetzt auch wieder so heißt (zwischendurch wurde sie zur Ehrung des Größten aller Großen in Copa Diego Armando Maradona umbenannt, zur neuen Ausgabe konnten sich die Erben und die Anwälte nicht auf die Rechte einigen), diese wird, ja, wir sind bald da, in zwei 13er Gruppen ausgespielt, in denen jeder gegen jeden spielt und zusätzlich dann noch ein Spiel, es wird abenteuerlich, gegen einen Gegner aus der anderen Gruppe, vorzugsweise ein Clásico: Boca spielt gegen River, Independiente gegen Racing, Huracán gegen San Lorenzo, Newell’s gegen Rosario Central, Colon gegen Unión… die klassischen Derbys eben. Warum die jetzt nicht von vorne herein in eine Gruppe gepackt wurden WE(ISS ICH DOCH AUCH NICHRPGTÜ. Entschuldigung. Ich versuchte, zu verstehen. Mein Fehler.
[tl/dr: Covid-bedingt gibt es statt der normalen Saison zwei dreimonatige Copas. Sie werden nach eher zufällig ausgewürfelten Modi gespielt]
So. Kommen wir zur zweiten Liga. Ha, Spässken, das lassen wir an der Stelle. Die von mir in der Grafik dargestellten Vereine spielten in der Saison 2020/21, so es sie denn gäbe, in der Primera División und der Primera B Nacional, die in zwei Zonen daher kommt, die aber nicht geografisch zugeteilt zu sein scheinen, aber lassen wir das. Das muss reichen, wir werden ja sonst alle völlig verrückt.
Wappen. Reden wir endlich über Wappen. Und ja, ich muss es zugeben, so unfassbar viel Fernweh diese virtuelle Reise auf die andere Seite des Globus bei mir auch verursacht hat, an den Wappen liegt es nicht. Das ist insgesamt schon große Einfallslosigkeit. Ein Wappen in Schildform, Längsstreifen, die Abkürzung des Vereinsnamens in einer Schärpe quer drüber, fertig ist das argentinische Fußballwappen. Das ist wirklich sehr, sehr traurig. Hier und da gibt es immerhin im Wappen schöne und verschnörkelte Schrift, aber die Wappen, die wirklich einzigartig sind, lassen sich locker aufzählen: Lanús, z.B., deren Schriftverschnörkelung ich bis heute nicht entziffern kann; der Hahn aus Morón; Arsenals im argentinischen Kontext wirklich recht eigenes Wappen; der Ballon des CA Huracán, beides, also Namen und Wappen entliehen vom Ballon Huracán des um die vorletzte Jahrhundertwende berühmten argentinischen Ballonfahrer Jorge Newbery. Mein persönlicher Liebling ist das eigentlich recht unscheinbare Wappen CA Browns (da der Name Brown bei zwei Vereinen auftaucht: William Brown war ein irischstämmiger, eingebürgerter Marineadmiral, der eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskrieg spielte, einer der argentinishen Nationalhelden). Ich mag die eigene Wappenform und besonders die besondere Farbkombination aus Rot-Schwarz-Hellblau. Aber das ist vermutlich mehr als alles andere Geschmackssache.
Nun gut. Das soll es erstmal gewesen sein mit den Wappenkarten, reicht dann auch. Ich hoffe, es bereitete soviel Spaß, aber weniger Mühe als mir. Bis dahin. Schauen Sie sich noch auf Twitter die Parade der zwölf größten Stadien an, wenn Sie mögen und bleiben Sie gewogen. Wem auch immer.
Vielen lieben Dank für die Karte. Vor ein paar Jahren hatte ich mal genau sowas gesucht, um halbwegs verstehen zu können, wo zum Teufel in diesem Buenos Aires all diese vielen Vereine in so großen Stadien spielen können.
Jetzt weeß ick’s.