Diego

Wenn wir abends, nach sechs Stunden Busfahrt an der argentinischen Küste entlang oder einem Tag im Naturschutzpark Feuerlands oder einer Reise durch die Weingebiete um Mendoza und den Andenvorläufern, erschöpft im Hotelzimmer den Fernseher anschalteten, gab es zwei Optionen: Wir versuchten, eine der merkwürdigen argentinischen Gameshows zu verstehen oder wir schalteten so lange durch die Sender, bis wir fündig wurden. Denn eines war sicher, irgendwo, auf irgendeinem Sender liefen sie immer: Die besten Tore des Diego Armando Maradona.

Unterstellte man ihm, den größten aller Großen, eine geheime Absicht und die Fähigkeit, das Fernsehprogramm zu beeinflussen, so könnte man darüber nachdenken, ob dahinter nicht ein kühner Plan stünde, denn eines ist sicher: Das war eine Gehirnwäsche. Fuhr man, wie wir, mit der Vermutung nach Argentinien, dass Maradona vermutlich einer der besten Fußballer bis dahin, auf jeden Fall aber ein sehr guter, und sonst, na ja, irgendwie ein schräger Vogel.. so kehrte man drei Monate später in der festen Überzeugung zurück, zu den gleichen Zeiten wie ein menschgewordener Gott zu leben. Eine Überzeugung, der es egal ist, was andere darüber denken, denn sie ist mit einer inneren Glückseligkeit verknüpft. Diego ist einer von uns. Einer für uns.

Natürlich, all das wurde möglich gemacht durch den Fußball. Nein, durch seinen Fußball. Durch die unglaublichen Fähigkeiten Maradonas, seine Dribblings, seine Tore, seine Ballbehandlung. Stundenlang könnte ich schwärmen und jeder Mensch, der ihn sah, würde mir zustimmen. Das war, was ihn aus einer Villa Miseria in Buenos Aires herausholte und auf die Bühne der Welt brachte. Die Bühne, die er über Jahre hinweg nach Belieben bespielte. Auf der in jenen Zeiten links und rechts von ihm gerumpelt wurde, und er inmitten dieses Gerumpels mit einer Täuschung, einem Pass, einem Tor die Welt still stehen ließ und den Fußball zu seinem machte, eine Bühne, auf der er uneingeschränkter Herrscher war.

Aber es waren nicht seine fußballerischen Fähigkeiten, die ihn darüber hinaus zu der Ikone, als die wir ihn heute kennen, werden ließen. Es war sein Scheitern. Und die endlose Liebe seiner Landsleute. Die trotz allem Befremden über viele seiner Eskapaden genau dadurch noch wuchs. Was sein Scheitern wiederum noch wahrscheinlicher machte. Was ihn, den pibe de oro, den Goldjungen, in all seiner güldenen Göttlichkeit, in der von harten Klassengegensätzen geprägten argentinischen Gesellschaft, menschlicher machte. Seine ihm immer wieder anzusehende, ehrliche und kindliche Freude über seine Popularität, eine Freude, die nicht geschäftlich oder finanziell motiviert war, sondern aus Demut heraus und die auch dann noch zu sehen war, als schon lange klar war, dass ihn genau diese Popularität kaputt macht und ihn erdrückt.

Es ist zugegebenermaßen sehr schwer über Diego Armando Maradona zu schreiben ohne religiös zu klingen. Denn es ist eine religiöse Geschichte. Einem Jungen aus Villa Fiorito wurde eine göttliche Gabe geschenkt, er zog aus, um die Menschheit zu beglücken. Und sie liebten ihn und trugen ihn, so wie sie von ihm getragen wurden. Und vielleicht war ihre Liebe so groß, dass er dafür einen harten Preis bezahlen musste, der ihn letzten Endes sein Leben kosten würde.

In einem Überlandbus, irgendwo in der Pampa oder in Patagonien, ich weiß es nicht mehr, sitze ich neben einem Mann, vielleicht 60, 65, der einen sehr harten Akzent spricht, mein mangelhaftes Spanisch reicht nicht aus, um mich mit ihm unterhalten zu können, er spricht keine Fremdsprache. Wir wechseln ein paar Vokabeln, ja, ja, Buenos Aires, sí, sí, Tierra del Fuego. Er tut das aus Höflichkeit, Spaß macht es nicht, es scheint eher anzustrengen, das Gespräch, wenn man es so nennen will, versandet. Bis er plötzlich seinen Kopf zu mir wendet und über das ganze Gesicht strahlend „Diego?!“ sagt. „Sí claro!“. Wir lachen beide froh. Diego ist bei uns. Eterno.

Łukasz Józef Podolski

Das erste Mal, dass mir der Name Lukas Podolski begegnete, war noch zu B-Jugend-Zeiten. Das sei einer mit ganz großer Zukunft wurde im damaligen Fanforum (Wir hatten ja nüscht anderes) des 1.FC Köln geschrieben und vermutlich rollte ich genervt mit den Augen. Zu jenen Zeiten galt jeder Jugendspieler des Vereins, dem nicht bei drei der Ball versprang, als Omen einer besseren Zukunft, war Projektionsfläche des Wunsches, die Mannschaft würde endlich wieder erfolgreichen Fußball spielen, wenn der Verein nur endlich auf junge und lokale Spieler statt auf altgediente und satte Millionäre setzte. Ein verständlicher Wunsch, und doch ein närrischer Irrglaube, als würde die Jugend des FC aus lauter Rohdiamanten bestehen. Noch so einer also, jetzt hochgejazzt, später im Heer der Namenlosen verschwunden. Oh boy, was I wrong.

An den ersten Einsatz für die Profimannschaft, eine Niederlage des Tabellenachtzehnten gegen den HSV, kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an sein erstes Tor für den FC, das vier Wochen später folgte: Ausgerechnet ein Kopfball. Dabei waren zwei andere Tore in jener Saison merkenswerter, der Siegtreffer gegen den Gladbacher Erzfeind – spätestens da wurde er zum Helden – und jener Heber zur zwischenzeitlichen Führung gegen die Bayern, der Oliver Kahn so wunderbar alt aussehen ließ. Doch alle zehn Tore in neunzehn Spielen nützten nichts, am Ende stieg der FC ab und es spricht eine deutliche Sprache darüber, wie gut Podolskis Talent schon damals erkennbar war, dass es lange und anhaltende Diskussionen gab, ob er nicht viel zu gut für die zweite Liga sei. Damit hatte sicher auch die Nominierung zur Nationalmannschaft und dem EM-Turnier in Portugal zu tun, von den Fans bejubelt, von den Experten kritisiert. Oh boy, were they wrong.

Es wäre sicher deutlich zu viel des Guten, wenn man Lukas Podolski zuschreiben würde, er habe den Wandel in der Nationalmannschaft angestoßen. Das waren natürlich die Trainer, ein bisschen Völler, vor allem aber Klinsmann und Löw. Aber er war, viel mehr als der gleichzeitig dazustoßende Schweinsteiger, das Symbol, das Symbol einer Hoffnung auf bessere Zeiten, wieder einmal. Fast zehn Jahre lang war der Fußball der Nationalmannschaft niedergegangen. Gerumpelt wurde schon immer, jetzt aber auch noch erfolglos. Alles, was Podolski fußballerisch ausmacht, die Lust am Spiel; das große Talent; die mentale Stärke, die Zeit seiner Karriere immer nur unzureichend als „Unbekümmertheit“ bezeichnet wurde; die Schnelligkeit in Beinen, Fuß und, ja, das wird den oberflächlichen Kritiker überraschen: auch im Kopf – all das fehlte dieser Mannschaft. Seit vielen Jahren. Und all das wurde später zum Markenzeichen der Löwschen Entwicklung der Nationalmannschaft in der ersten Phase von 2006 – 2010. Podolski war die Oase im Grauen der Post-Ribbeckschen Rumpelei und später wichtiger Bestandteil des besten Fußballs, den die deutsche Nationalmannschaft je über einen längeren Zeitpunkt spielte. Vorläufiger Höhepunkt hierbei wohl die WM 2010, als der überfallartige Konterfu.. ‘tschuldigung: das schnelle Umschaltspiel in begeisternden Spielen gegen England und Argentinien mündete. Das war Podolskis Spiel, selten konnte er seine Fähigkeiten besser ausspielen.

Schwierig wurde es immer dann, wenn der jeweilige Trainer auf Ballbesitzfußball Wert legte oder der Gegner sich regelmäßig weit zurückzog. Beim FC Bayern war dies weitgehend der Fall – womöglich Podolskis schlechteste Karriereentscheidung. Das endlose herumpassen des Balls, das ewig indirekte Spiel, nicht seins. Nicht nur, aber auch, weil ihm dazu der rechte Fuß fehlt, so unglaublich stark der linke, so schwach der rechte, immer schon. Auch deshalb fand er sich bei Löw nach dessen taktischer Umstellung ab der EM 2012 immer häufiger auf der Ersatzbank.

Dass es auch bei Mannschaften dieser Art anders geht, zeigte die kurze Zeit unter Heynckes am Ende seiner Zeit bei den Bayern: 5 Spiele, 5 Torvorlagen, 2 Tore. Es gibt diese Spieler, die unter fast jedem Trainer ihre Höchstleistung abrufen können und dann jene, die einen Trainer brauchen, der sich darum bemüht, die Spieler individuell anzusprechen und sie so zu ihren besten Leistungen zu bringen. Podolski ist so einer. Das wird in Deutschland dann gerne mit Nestwärme verwechselt und unter dem Strich negativ gesehen: Wer nicht immer und unter allen Umständen Leistung abliefert, will ja eigentlich gar nicht.

Überhaupt haben sich manche Vorurteile nicht von der Zeit hinfort spülen lassen. Ein simpler Geist sei Podolski, sagen sie, und vergessen dabei immer, dass Deutsch nur seine Zweitsprache ist. Sicher und ohne Zweifel, Phillip Lahm ist ein eloquenterer Gesprächsgast, aber kann er das auch auf polnisch? Und wer immer noch, wie dieser namhafte Blogger, glaubt, Podolski sei „defensiv nicht existent“, war in den vergangenen 13 Jahren vermutlich mehr damit beschäftigt, seine Vorurteile zu pflegen, als Fußball zu gucken. Ich jedenfalls habe lebhaft vor Augen, wie Podolski zum Beispiel zu unseligen Solbakken-Zeiten wieder und wieder dem eigentlich hinter ihm postierten, aber leider häufig überforderten Christian Eichner aushalf. Ein Problem, welches ihm auch in der Nationalmannschaft begeleitete: Wer es schafft, ohne nachzusehen, alle linken Verteidiger der Jahre 2004 – 2016 aufzuzählen, kriegt ein Eis von mir. Ein Tipp: Gut waren die meisten nicht.

Aber nun ist es auch wurscht. Das letzte Länderspiel, die Nationalmannschaft, zu der ich immer ein gespaltenes Verhältnis habe, wird fortan für mich nicht mehr dieselbe sein. Podolski warf das Licht, das die Schatten vertrieb. Und auch im Trikot des von ihm wie von mir geliebten Vereins wird man ihn nicht mehr sehen, ein Drama. Man stelle sich vor, Peter Stöger hätte jetzt den 19jährigen Podolski zur Verfügung. Ach, ach.
Aber jetzt nicht sentimental werden, ein letztes Mal noch genießen, bevor es dann für immer heißt: Podolski fehlt an allen Ecken und Enden.

Steffen Simon, Randaleur

Wer sich hin und wieder die ARD Sportschau ansieht, weiß, dass es immer wieder eine besondere Härteprüfung der eigenen Guckbereitschaft ist, wenn Steffen Simon, seines Zeichens Chef des Janzen, das Mikrophon ergreift und die Zusammenschnitte selbst kommentiert.

Deswegen lohnt es sich eigentlich nicht auf verbale Fehltritte Simons besonders einzugehen, in diesem Fall will ich aber eine Ausnahme machen, da mir scheint, dass der gute Herr Simon hier nicht einfach nur seinen üblich Unsinn redete, sondern einer Agenda propagandistisch den Boden bereitete.

Konkret geht es um das Ruhrgebietsderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. In der zweiten Halbzeit war es, da zeigte das Bild einige vermummte Schalke 04 Fans, ganz vorne am Zaun stehend, die Arme durch das Gitter gesteckt und in den Händen weiße Bengalos haltend. Also: Zwar im Block stehend, die Bengalos aber außerhalb abbrennend. Nun mag man ja auf die Gesetzeslage hinweisen und überhaupt jegliche Form von Pyrotechnik in Fußballstadien ablehnen, eine Position, für die ich durchaus Verständnis habe, auch wenn ich sie nicht zur Gänze teile. Das soll hier aber gar nicht das Thema sein.

Genauso wenig wie Simons erster Kommentar zu den gezeigten Bildern, der da lautete, dass zu diesem Zeitpunkt “einige Schalke 04 begannen zu randalieren”. Ich kann das nicht beurteilen, denn ich würde es Steffen Simon durchaus zutrauen, dass er Bilder kommentierte, die ich – als Zuschauer der von ihm verantworteten Sendung – gar nicht zu sehen bekam. “Randale” jedenfalls wurde nicht gezeigt, aber wer weiß, vielleicht fand sie ja zu diesem Zeitpunkt irgendwo anders statt.

Was mich wirklich ärgerte, war der zweite Kommentar. Da kündigte Simon den “Randalierern” böse Konsequenzen an: Wer sich so verhalte, müsse sich nicht wundern, wenn es dann in Zukunft, als Folge dieses Handelns, nur noch Sitzplätze gebe.

Und das ist dann der Punkt, an dem ein Aufschrei, auch wenn er nur in einem kleinem Popelblog erfolgt, notwendig wird: Nein, Herr Simon, die Versitzplatzisierung ist keine Konsequenz aus angezündeten Bengalos. Sie findet statt, weil die von Verbands- und Vereinsfunktionären und Fernsehonkeln, wie Sie es sind, gewünschte Umwandlung eines Stadionbesuchs in unbezahlbare Eventerlebnisse in Multifunktionsarenen mehr Geld in die Kasse spült. Weil ein pluralistisches und mündiges Publikum schlechter kontrollierbar ist. Weil nur eine tote Kurve eine gute Kurve ist, ein Eigenleben von Fußballanhängern nicht erwünscht ist.

An Ihre Inkompetenz in Sachen sportliche Berichterstattung haben wir uns gewöhnt, Herr Simon. Wenn Sie nun auch noch anfangen, in propagandistischer Absicht den Sportzerstörern das Wasser zu reden und in bundesdeutscher Fußballkultur herum randalieren, sind Sie nicht länger tragbar.

[Update: Grad gesehen: Auch die 5 Freunde im Abseits haben sich des Themas angenommen.]

Der Flügel und Podolski oder auch: Der Feind in seinem Rücken

Das Spiel ist jedes Mal dasselbe: Wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt und Lukas Podolski in ihren Reihen steht, ist das Gejammer groß: Die Defensivarbeit des Kölners sei unter aller Kajüte, das Zusammenspiel am linken Flügel nicht existent und die Laufarbeit nicht ausreichend. Das Ergebnis ist ein defensiv anfällig linker Flügel, und da, wir alle wissen, die Verteidigung vorne beginnt, ist der Schuldige leicht ausgemacht: Podolski, Lukas.

Nun gilt es zwei Dinge vorauszuschicken, die ich vermutlich nicht vorausschicken bräuchte, es sei trotzdem getan: Natürlich ist mir bewusst, dass ich bei der Beurteilung der Leistung Podolskis die rot-weiße Brille aufhabe, wer selbst eine solche auf der Nase trägt – ob nun in wunderschönem rot-weiß oder abgrundtiefgrunzhäßlichen anderen Farben – wird wissen, dass eine solche nicht einfach so abzusetzen ist, bei allem Bemühen um Objektivität.
Und natürlich ist Lukas Podolski, einstmals Stürmer, in der Nationalmannschaft offensiver linker Außen, kein Verteidiger. Wird er auch niemals sein, sicherlich.

Trotzdem halte ich die These vom defensivfaulen Podolski für Kokolores. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sehe ich Podolski regelmäßig im Trikot des 1. FC Köln, und sehe ihn dort – umgeben von Spielern, denen das trickreiche, schnelle Spiel meistens eher weniger liegt – arbeiten. Nach vorne, nach hinten, seitwärts. Natürlich hat er auch dort immer noch jene typischen Podolski-Spiele, in denen er früh den Eindruck gewinnt, heute würde ihm wohl wenig gelingen und in Folge auch wenig versucht, doch diese lethargischen Spiele werden weniger.
Das zweite Argument ist schlagkräftiger, meines Erachtens jedenfalls, Gegenrede ist wie immer willkommen:
Zu einer gelungenen Defensivarbeit gehören – tatatata, Ladies and Gentleman, please welcome: The glorious Allgemeinplatz – alle elf Spieler. Zu einem gelungenen Defensiv- und Zusammenspiel auf einem Flügel gehören mindestens zwei Spieler, sofern wir denn über ein 4-2-3-1 oder Ähnliches reden. Neben dem offensiven linken Außen ist dies – oho! – der defensive linke Außen.

Außenverteidiger, linker. Nationalmannschaft. Wir denken scharf nach und landen bei Marcel Schmelzer, der nicht nur, mehr schlecht als recht, am vergangenen Freitag gegen Österreich auf dieser Position spielte, sondern auch in den beiden vorangegangenen Spielen, in denen Podolski mitwirkte. Und sonst so?

Ich bin mal nicht so und helfe nach. Alle linken Verteidiger der Nationalmannschaft aus Spielen, in denen a) Podolski mitwirkte und b) seit der Umstellung auf ein 4-2-3-1 System, also seit der Europameisterschaft 2008 (Es gab einige wenige Ausnahmen, in denen Podolski zweite Spitze spielte, die habe ich rausgelassen):

Phillip Lahm – 10 Spiele
Jérôme Boateng – 4 Spiele
Holger Badstuber – 4 Spiele
Marcel Schmelzer – 3 Spiele
Dennis Aogo – 3 Spiele
Heiko Westermann – 3 Spiele
Marcell Jansen – 3 Spiele
Marcel Schäfer – 3 Spiele

Das ist, ohne dem einen oder anderen zu Nahe treten zu wollen, eine Liste des Gruselns. Ich bin sicher, Schmelzer oder Boateng, vielleicht auch Aogo werden noch zu einem Außenverteidiger internationalen Ranges werden, aber eben: Sie werden werden. Nicht: Sie sind. Dass Lahm, ohne jede Konkurrenz der beste Außenverteidiger Deutschlands seit der zähneknirschenden Aufgabe des Liberos, diese Position mit Abstand am häufigsten spielte, sagt alles, ist doch eigentlich die rechte Außenverteidigerposition seine Bessere und Geliebtere.
Der eine oder andere wird möglicherweise noch zu einem guten – also: internationales Niveau – Innenverteidiger (Badstuber, Boateng) oder ist ein brauchbarer solcher (Westermann), aber linke Verteidiger sind sie nicht.

Was ich also sagen will: Podolskis Defensivarbeit ist sicher noch verbessungswürdig, der Mann ist ja schließlich gerade eben erst 26 geworden. In der Beurteilung des defensiven Spiels auf dem linken Flügel in der Nationalmannschaft möge man bitte nicht übersehen, dass dort im Defensivverbund in der Regel jemand steht, der dort (noch) nicht hingehört und selbst Hilfe braucht, statt Hilfe zu bieten. Nicht umsonst gehören die Spiele, in denen Phillip Lahm diese Position besetzte zu den besten Podolskis im Nationaltrikot.

Identität und Gnadenbrot

Das Geraune ist groß. Die Empörung auch. Altgediente Helden werden vom Hof gejagt, die Volksseele wütet und schreit.
Die Rede ist von Thomas Häßler, Matthias Scherz und Dirk Lottner. Diese drei ehemaligen Spieler, so berichten die stets um sachliche Aufklärung bemühten Kölner Medien, werden in Zukunft nicht mehr in Lohn und Brot beim 1. FC Köln stehen. Das taten sie nämlich nach Karriereende, wenn auch im Falle Häßler über den Umweg Nigeria. Nun ist Icke Techniktrainer, Matthias Scherz verantwortlich für Spielerentwicklung und Karriereplanung im Nachwuchsbereich und Dirk Lottner war Trainer der U17 bis er unter Frank Schaefer, dessen Zukunft ebenfalls ungeklärt ist, Co-Trainer der ersten Mannschaft wurde. Als solcher ist unter Solbakken, der seinen eigenen Co-Trainer mitbringt, kein Platz mehr für ihn.
In der Kasse des FC, so die in den Berichten mitgelieferte Begründung, klafft ein großes Loch und der Sparzwang diktiere diese Personalpolitik.

Die Empörung, das liegt auf der Hand, speist sich aus einer durch diese mutmaßliche Personalpolitik wahrgenommene Schwächung der Vereinsidentität. Alte Helden stellen eine Bindung dar, zu besseren Zeiten, insbesondere aber auch zum Heimatsgefühl, welches ein Verein vermittelt und welches für viele Fans von großer Wichtigkeit ist.
Und FC-Helden sind die drei genannten allemal, auch wenn ich zugeben muss, dass ich es Dirk Lottner bis heute nicht verzeihen kann, dass ihm sein plötzlicher Starstatus damals nach der ersten erfolgreichen Aufstiegssaison unter Lienen wichtiger als der Erfolg der Mannschaft war und er mit seinem leider gewonnenen Machtkampf gegen Lienen hauptursächlich für den zweiten Abstieg verantwortlich war. Aber solche Feinheiten verwirren nur und werden gerne ausgeblendet – der Mann spricht kölsche Tön, der is ne Held. Doch genug davon, ich echauffiere mich beim Thema Lotte immer zu sehr.

Natürlich sind die Drei – wie übrigens auch Paul Steiner, der als Scout ebenfalls auf dieser “Abschussliste” steht; der bekannteste “WM Tourist von 1990”, der 291 mal für den FC auflief, der aber offenbar keinen Heldenstatus genießt, denn sein Name wird in den Empörungsreden selten genannt – natürlich sind diese drei verdiente und große Spieler (also, naja.. Lottner…) des 1. FC Köln. Und natürlich sind sie in der Lage Identität zu stiften und natürlich ist der Verein verpflichtet, ihnen Dankbarkeit zu zeigen.

Aber reicht “Dankbarkeit” als Einstellungsmerkmal? Wer möchte beurteilen können, ob Paul Steiner ein guter Scout ist? Icke Häßler wird auf alle Zeiten einer meiner ganz persönlichen Fußballgötter bleiben, und als Mensch – soweit ich das aus der Entfernung beurteilen kann – schien er mir immer sehr sympathisch zu sein – aber als Trainer, mit den modernen Anforderungen an Methodik und Pädagogik, kann ich ihn mir nicht vorstellen. Den Aufgabenbereich eines Verantwortlichen für “Spielerentwicklung und Karriereplanung im Nachwuchsbereich” kann ich mir nicht genau vorstellen, ob Mattes Scherz diese Aufgabe erfüllen kann, weiß ich noch viel weniger. Sind diese Jobs also nichts weiter als ein Gnadenbrot für verdiente Spieler, das moderne Äquivalent zum früheren Kiosk, der so manchen ehemaligen Spieler nach seiner Karriere erwartete?

Ja, natürlich, wie schon gesagt: Dankbarkeit ist wichtig. Dafür zu sorgen, so weit man kann, dass diese Spieler, die lange viel für den Verein gegeben haben, nicht unter die Räder kommen, wie so manch anderer ehemaliger Fußballprofi, auch. Aufgaben im Verein, die wichtig sind für die sportliche Weiterentwicklung, aber jemanden anzuvertrauen, dessen einzige Qualifikation es möglicherweise – wie gesagt: wirklich beurteilen kann ich es nicht, ebenso wenig wie jene, die sich echauffieren – ist, vor 20 Jahren brillante Pässe gespielt zu haben oder vor 25 Jahren eine Abwehr organisiert zu haben, klingt in meinen Ohren wenig sinnvoll.

Ich kann jeden verstehen, der Icke, Mattes, Lotte und Paul gerne als Identifikationsfiguren im Verein hätte, auch für mich sind sie dies auf eine gewisse Weise. Wer sich nun allerdings empört und Gift und Galle spuckt, möge bitte beim nächsten misslungenen Scouting, bei der nächsten misslungenen Flanke oder beim nächsten Jugendspieler, der die Rheinseite wechselt, schweigen und sich daran freuen, dass Steiner, Häßler und Scherz einen Job gefunden haben.

P.S.: Da die Empörung, wie gesagt, auf Zeitungsberichten beruht, ich aber keine Lust habe mich schon wieder mit der Kölner Presse auseinanderzusetzen, hier ein paar Fakten: Am 12. Mai gab der FC bekannt, dass die Verträge von Paul Steiner und Matthias Scherz nicht verlängert werden. Thomas Häßler ist beim FC Thun als Cheftrainer im Gespräch und von Dirk Lottner berichtet der Kölner Stadtanzeiger heute, dass “eine neue Aufgabe” für ihn gesucht werde – dies allerdings unter der Überschrift “Kein Job für Dirk Lottner“. D’oh.

All Eyes On: Ståle Solbakken

Der neue Trainer des 1. FC Köln, der Norweger Ståle Solbakken, gab heute seine erste Pressekonferenz und zeigte sich somals das erste Mal den neugierigen Kölner Journalisten und den noch neugierigeren Kölner Fans.

Eine solche Pressekonferenz ist naturgemäß wenig aussagekräftig. Noch kennt der neue Trainer die Mannschaft kaum (Drei bis vier Spiele der letzten fünf Kölner Auftritte habe er sich auf DVD angesehen), ein sportliches Konzept kann noch nicht vorliegen. Zu wenig also, um nun wirklich fundierte Analyse zu betreiben.

Zwei oder drei Dinge lassen sich aber schon mal positiv vermerken, abgesehen davon, dass mir persönlich der heitere und teilweise witzige Auftritt Solbakkens sehr sympathisch war.

Da gilt zum einen, dass Solbakken offenbar gut instruiert worden ist, er weiß, nun gut: glaubt zu wissen, was ihn erwartet. Der Verein sei sehr ehrlich zu ihm gewesen, so sagte Stolbakken, er wisse, dass die Presse in Köln sehr, sehr nett sei und ließ ein Lachen folgen. Zudem sei ihm natürlich die Zahl der Trainer in den letzten Jahren bekannt, und ihm sei durchaus bewußt, was das bedeute, und dass er dahingehend die Aufgabe mit offenen Augen angehe. Er weiß also, dass ihn ein Minenfeld erwartet und nimmt die Herausforderung trotzdem an.

Wichtiger aber noch schien mir der kleine Exkurs über die vergangenen Gespräche mit dem FC, namentlich Volker Finke zu sein: Sie hätten gute Unterhaltungen über Fußball gehabt, die Vorstellungen davon, was guter Fußball sei, seien deckungsgleich. Natürlich sei ihm bewußt, dass “Euch” – gemeint war die Presse – am Ende nur die Resulate interessieren würde, sein Augenmerk aber lag ganz offensichtlich darauf, in Volker Finke einen Gesprächspartner auf Vereinsseite gefunden zu haben, der mit ihm kompetent über Fußball reden konnte.

Wie bereits oben gesagt: Es ist noch viel zu früh, irgendwelche Wertungen abzugeben. Sollte aber die Zusammenarbeit zwischen Verein, Trainer und Mannschaft auch nur halbwegs funktionieren, könnte, vielleicht und eventuell, dem 1. FC Köln Gutes blühen.

P.S.: Eines jedenfalls ist sicher, Ironie ist dem Kölner Stadtanzeiger nicht bekannt. Anders jedenfalls ist nicht zu erklären, dass aus dem oben erwähnten kleinen Seitenhieb die Aussage “Auch von der ansässigen Presse hat Solbakken laut eigenen Angaben viel Gutes gehört” werden konnte.

P.P.S.: Ausschnitte aus der Pressekonferenz finden sich hier.

Mehr als ein Wermutstropfen.

Der 34. und letzte Spieltag ist vorbei und es wäre der richtige Zeitpunkt, um sich zu freuen. Trotz einer Chaossaison in klassisch-kölscher Art springt am Ende Tabellenplatz 10 heraus, die beste Tabellenplatzierung seit zehn Jahren. Der Saisonverlauf gibt es nicht her, aber trotzdem sei mir kurz der Blick nach oben gestattet: Nur drei Punkte Abstand auf Platz 6 – Wahnsinn.
Und auch die gestern verkündete Verpflichtung des norwegischen Trainers Ståle Solbakken ist bei aller gebotenen Vorsicht hinsichtlich des Minenfeldes Köln eine erfreuliche Nachricht, über die es sich vortrefflich freuen liesse.

Aber aller Frohsinn am heutigen Tage wird gedämpft von der Nachricht, dass sich die Verletzung, die Armando Gonçalves Teixeira, genannt Petit, in der 75. Minute des gestrigen Spiels gegen Schalke 04 erlitt, als Kreuzbandriss erwies. Eine schlimme Verletzung für jeden Profi-Fußballer, für Petit jedoch mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Der Portugiese ist 34 und sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Der 1. FC Köln müsste also nun den Vertrag verlängern mit einem Spieler, der frühestens in einem halben Jahr wieder fit wäre und sich dann als dann 35-Jähriger wieder an das Team herankämpfen müsste. Es riecht nach Karriereende.

Petit hat Großartiges für den FC geleistet, denn er hat maßgeblichen Anteil daran, dass es dem Verein vorerst gelungen ist, aus dem Fahrstuhl auszusteigen. Verpflichtet nach dem letzten Aufstieg 2008, brachte der 2-malige portugiesische Meister, Weltmeisterschafts-Vierte und Vize-Europameister nicht nur durch seinen Namen Glanz in die Müngersdorfer Hütte. Der Pitbull, der das spitznamengebende Tier auf seiner Wade spazieren trägt, agierte in den vergangenen drei Jahren im defensiven Mittelfeld als genau solcher: Bissig, immer auf der Jagd nach dem Ball, dabei auch hin und wieder den Gegner mitnehmend oder sich, wenn es angebracht war, vom Gegner mitnehmen lassend – ich kenne keinen Spieler, der es dermaßen gut beherrscht, Fouls zu provozieren – kurz: Immer das routinierte defensive Bollwerk, das ein Aufsteiger und eine gegen den Abstieg spielende Mannschaft braucht.
Dabei machte Petit 93 Spiele für den FC, nur für Benfica Lissabon machte er deutlich mehr.

Sicher gab es schwächere Phasen, immer wieder mal wirkte Petit, als wäre seine Zeit vorüber, aber immer fing er sich wieder, brachte sich wieder in Form und half der Mannschaft entscheidend weiter. Viele sind der Meinung, dass er eine unrühmliche Rolle hinsichtlich der Demission Frank Schaefers spielte, die häufig genannten “älteren Spieler”, die sich von dem lange als Nachwuchstrainer agierenden Schaefer nicht richtig behandelt fühlten, meinen jedenfalls immer Petit als Hauptfigur. Schwer zu beurteilen, was da stimmt und was nicht, aus der Ferne. Fakt ist, dass Petit unter dem Strich von enormer Wichtigkeit war für diesen Verein.

Ob sein Vertrag ohne diese Verletzung verlängert worden wäre, ist unbekannt. Wenn nicht, wäre es ihm aber sicher möglich gewesen irgendwo noch seine Karriere langsam ausklingen zu lassen, dies scheint jetzt sehr schwierig zu werden, denn wer verpflichtet einen 34-Jährigen mit einer schwerwiegenden Verletzung? Und so bedeutet die Verletzung wohl das Ende einer Karriere, die einen schöneren Schluß verdient hätte. Dass Volker Finke kundtut, dass “wir die Situation gemeinsam erörtern werden und versuchen werden, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden, weil es sich um eine schwerwiegende Verletzung eines verdienten Spielers des 1. FC Köln handelt.“ macht Hoffnung, dass es eine Lösung gibt, die anderes bedeutet. Zu wünschen wäre es Armando Gonçalves Teixeira.

All Eyes On: Simon Terodde

Glaubt man den Gerüchtekücheninsassen, so wird Simon Terodde nach Michael Parensen der zweite Spieler, der vom ersten Herzverein des Blogautors zum zweiten wechselt. Zwar nur auf Leihbasis, in Anbetracht der Köpenicker Finanzverhältnisse scheint dies allerdings grundsätzlich ein guter Weg zu sein.

Das Problem für mich ist an dieser Stelle: Hier könnte der Artikel auch schon wieder zu Ende sein. Ich kann nämlich nicht viel aus erster Hand zu Terodde sagen. Bekannt für den interessierten Unioner dürften mittlerweile die Fakten sein: 23, Stürmer, spielt in der Regel in der 2. Mannschaft des FC, also in der vierten Liga. 5 Einsätze in dieser Saison hat er bislang in der 1. Mannschaft – und damit in der Bundesliga – vorzuweisen. Die allerdings sind wenig ausssagekräftig: Der längste Einsatz dauerte 9 Minuten. Einwechselspieler, wenn überhaupt. Allerdings dürfte auch dem geneigten Berliner bekannt sein, dass der Sturm des FC mit den Namen Novakovic und Podolski nicht nur prominent, sondern auch erstklassig besetzt ist, dass da für einen Mann aus der 2. Reihe nicht viel Einsatzzeiten zu holen gab, dürfte klar sein. Immerhin: Unter Frank Schaefer wurde Terodde quasi Stürmer Nummer 3 – noch vor Alexandru Ionita, den im vergangenen Sommer für 1,5 Millionen Euro transferierten Jungstürmer aus Rumänien.

90 Minuten spielen sehen hab ich ihn nur im Pokalspiel gegen den MSV Duisburg, ein Spiel, an das ich mich gar nicht erinnern mag. Das allerdings lag nicht an Terodde, sondern an der gesamten Mannschaft. In Halbzeit Eins passte sich der Stürmer dem allgemeinen Niveau an und fiel negativ auf, viele Bälle versprungen und wenig brauchbares geschah, dies allerdings änderte sich zum Ende der Partie, Terodde wurde mehr und mehr zum Aktivposten, dass er das einzige Tor – und sein einziges für die erste Mannschaft überhaupt – an jenem verfluchten Dezemberabend schoß, passte.

Terodde ist Strafraumstürmer, Stoßstürmer wie das so schön heißt, dabei trotz seiner Körpergröße von 1,92 eher Wühler als Kopfballungeheuer, was für mich ein kleines Fragezeichen entstehen läßt ob seiner Brauchbarkeit für die Eisernen: Da lautet nämlich der Name des kopfballstärksten Stürmers Karim Benyamina und der verlässt ja bekanntermaßen den Verein, während Halil Safran, ein Wühler vor dem Herrn, bleibt.

Was allerdings die Grundvoraussetzung um in Köpenick anerkannt zu werden angeht, nämlich die Bereitschaft des Spielers, im Notfall auch über die eigenen körperlichen Grenzen hinweg den Kampf aufzunehmen, sehe ich Terodde bestens vorbereitet: Kürzlich zog er sich in einem Spiel für die U23 des FC in der zehnten Minute einen Bänderriss zu: “Ich hatte schon ein bisschen Schmerzen. Aber in der Halbzeit haben wir gekühlt und es ging anschließend.” Gespielt hat er 90 Minuten. That’s the Spirit.

Auf gehts, Stürmer, schieß ein Tor. Oder zwei.

Na klar, über allem schwebt der Müller Gerd. Für alle Zeiten uneinholbar. Der Bomber eben. Oder auch Mr. Doppelpack (55 mal!). Nur in Bundesligapartien wohlgemerkt.
Danach dann Klaus Fischer, mein ewiger Held. Heynckes, Burgsmüller, Kirsten, Kuntz, Müller (Dieter), Allofs (Klaus) Löhr, Rummenigge.

Namen, die jeder Fußballfreund kennt und wer sich ein bißchen auskennt, weiß natürlich auch woher: Die Liste der erfolgreichsten Bundesligatorschützen, genau genommen, die erfolgreichsten zehn.

Soviel Tore, wie das Jahr hat, schoß Gerd Müller in Bundesligapartien, diese 365 Tore werden vermutlich nie wieder erreicht werden. Die Zeiten haben sich geändert, das Spiel sowieso und Müller war, ohne jeden Zweifel, ein Ausnahmespieler.

Der im Strafraum rumlungernde Stoßstürmer ist Seltenheit geworden, Defensivaufgaben müssen übernommen worden und im Fall des großen Erfolges winkt das Ausland, was weniger Bundesligatore als möglich bedeutet.

Ist es also völlig undenkbar, dass ein noch aktiver Stürmer in diese Phalanx der ersten zehn einbrechen wird? Nein, Ulf Kirsten, mit 182 Toren auf Platz fünf einsortiert, hat schließlich erst 2003 die Torschützentreter an den Nagel gehängt, bei günstigem Karriereverlauf müsste es also denkbar sein, auch heute noch auf eine solche stattliche Anzahl erzielter Tore zu kommen, dass ein Platz recht weit vorne in der ewigen Torschützenliste der Bundesliga drin ist.

Um unter die ersten zehn zu kommen, müssten es mindestens 162 Tore sein, soviele schoß Karl-Heinz Rotbäckchen Rummenigge. Aber wer käme denn da in Frage? Von den noch aktiven Stürmerstars? Oder gar ein Mittelfeldspieler?

Ich denke nach und mir fällt ein, dass Claudio Pizarro kürzlich zum erfolgreichsten ausländischen Torschützen erkoren wurde. Der müsste also recht weit oben sein, ist ja auch schon das eine oder andere Jahr aktiv. Mario Gomez schießt ein Tor nach dem anderen, in dieser Saison und auch schon beim VfB Stuttgart tat er dies. Aber soviele können es ja noch nicht sein?

Genug gerätselt, Zeit sich einzugestehen, dass man keine Ahnung hat, jedenfalls keine gesicherte. Lassen wir also die Zahlen sprechen.

Et voilà: Die Liste der erfolgreichsten Bundesligatorschützen aller noch aktiver Spieler mit mindestens 50 Toren. Kursiv jene, die nicht mehr in der Bundesliga spielen, aber ja theoretisch noch in der Lage wären, Bundesligatore bei einer möglichen Rückkehr (Kevin Kuranyi zum Beispiel wird sicher noch das eine oder andere Spiel irgendwann in der Bundesliga machen) zu erzielen. In Klammern die Platzierung in der Liste aller Torschützen der Bundeslioga, egal ob aktiv oder inaktiv.

Claudio Pizarro also. Und: Der Mann hat noch ein Jahr Vertrag, sowie eine vereinsseitige Option auf ein weiteres. 23 Tore fehlen ihm noch, um sich von Platz 15 auf Platz 10 vorzuschieben. Machbar.
Dann wird es enger: Ob Miroslav Klose im spätesten Herbst seiner Karriere noch mehr als 40 Tore schießt, darf bezeifelt werden, vor allem dann, wenn er sie bei den Bayern fortsetzt. Kuranyi könnte, wie gesagt, dereinst zurückkehren, ob es ihm dann allerdings gelingt noch 50 Tore zu schießen?
Dann allerdings kommt Mario Gomez und ja, der Mann hat beste Chancen – wenn er denn noch ein paar Jahre in der Bundesliga bleibt. Stefan Kießling, ebenso wie Gomez ein reiner Strafraumstürmer, hat aufgrund seines Alters gute Chancen, allerdings ist der Weg noch sehr weit. Der Rest: Chancenlos. Weil zu alt oder zu wenig Strafraumstürmer oder beides.

Die Frage ist allerdings, ob all diese Zahlen wirklich Aufschluß geben. natürlich nicht darüber, wie gut ein Fußballer insgesamt ist, da helfen Zahlen eh nur bedingt. Aber auch in der Frage, wie erfolgreich jemand als Stürmer, als Torerzieler ist. Wichtig ist dabei ja auch, wie oft er dazu die Gelegenheit hatte, wieviele Spiele er absolvierte. Teilen wir also spaßeshalber mal die erzielten Tore dieser Top-14 durch die gemachten Spiele, ergibt sich folgendes Bild:

Nun schätze ich die Wahrscheinlichkeit, dass Edin Dzeko noch einmal in der Bundesliga auf Torejagd geht für recht gering ein, aber man weiß ja nie. Unabhängig davon ist seine Torquote imposant: Nur Gerd Müller (0,85), Friedhelm Konietzka (0,72), Horst Hrubesch (0,61) sowie Roy Makaay und Jupp Heynckes (beide 0,60) können in der Liste der Bundesligatorschützen mit mindestens 50 erzielten Toren eine bessere Quaote aufweisen als Dzeko. Hut ab.
Und auch hier wieder: Mario Gomez lauert. Übrigens der gleiche Mario Gomez, den die Bayern-Fans gerne als Chancentod bezeichnen.

Karim Benyamina Fußballgott

Er kam in der dunkelsten Stunde des Vereins: Der 1. FC Union Berlin war aus der damaligen Regionalliga in die vierte Liga, die Oberliga, abgestiegen, durchgereicht aus der 2. Bundesliga. Der zweimalige Abstieg hatte kaum noch Spieler übrig gelassen, 23(!) neue Spieler kamen zu Beginn der Saison 2005/06. Einer davon hieß Karim Benyamina, im real-sozialistischen Dresden geborener Algerier.

Die Saison begann mittelmäßig, ein mühevoller Heimsieg gegen den BAK, anschließend ein maues 1:1 bei TeBe. Dann stand der Schlager gegen den ehemalig größeren und immer noch verachteten Nachbarn, den BFC Dynamo an. 8:0 hieß das Ergebnis und Karim Benyamina kam zu seinem ersten Torerfolg. Nicht einmal, nicht zweimal, dreimal netzte er ein an jenem historischen Nachmittag. Das dritte Spiel für den Verein und schon stand sein Denkmal.

Es folgten 12 weitere Tore in der Liga und am Ende stand der sofortige Wiederaufstieg, der Absturz war nicht nur abgefedert, sondern sogar ausgebessert worden. Und Benyamina? 15 Tore in der Liga, 10 weitere im Pokal sind eine Hausmarke, aber eben gegen Gegner wie den SV Falkensee/Finkenkrug oder die TSG Neustrelitz. Nicht wenige bezweifelten, dass es ihm schwer fallen würde in der 3. Liga, damals noch Regionalliga genannt.

Aber gefehlt. Benyamina schoß weiter Tore. In der durchwachsenen, aber für einen Aufsteiger recht ordentlichen Saison 06/07 11. Im darauf folgenden Jahr lief es etwas weniger rund, aber es kamen immerhin noch 7 Ligatore heraus. Dann folgte die Saison, die den Abschied aus der 3. Liga bedeutete und Benyamina machte nach gutem Start negative Schlagzeilen: Rote Karte wegen Tätlichkeit, sechs Spiele Sperre. Kaum zurück, verhalf er Union mit zwei Toren zum schon nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg über die bis zur 74. Minute 2:0 führenden Paderborner. Dieser Sieg war der letzte Schub, den Union brauchte um an den Aufstieg in Liga Zwei zu glauben. Am Ende standen 16 Ligatore für Benyamina und der unumstrittene Aufstieg in die zweithöchste deutsche Spielklasse zu Buche.

Nun aber würde es endgültig nicht mehr reichen, vermeldeten die Zweifler, und ja, es wurde schwieriger und nein, es reichte auch weiterhin: 6 Tore in 28 Ligaeinsätzen klingt, verglichen mit den Saisons zuvor, nicht sonderlich erfolgreich – allerdings konnte nur Thorsten Mattuschka mehr Tore als Benyamina und, gleichauf, Jon Jairo Mosquera, erzielen. Am 25.09.2009 schießt er ein wichtiges Tor: Es macht ihn zum Rekordtorschützen Unions aller Zeiten – Stand heute stehen 85 Pflichtspieltore in der Statistik.

In dieser Saison dann beginnt sich schon frühzeitig anzudeuten, dass sich Benyaminas Zeit in Köpenick dem Ende zu neigt. Ein großer Höhepunkt seiner Karriere ist die Berufung zur algerischen Nationalmannschaft im November 2010, doch bei Union ist er seit Beginn der Rückrunde nur noch Einwechselspieler. Heute hat der Verein verkündet, dass Benyamina in der kommenden Saison nicht mehr zur Mannschaft gehören wird. Ich bin nicht überrascht, aber traurig.

Karim Benyamina war einer der wichtigsten Spieler der vergangenen sechs Jahre beim 1. FC Union Berlin, neben Torsten Mattuschka wohl der wichtigste. Er stand für den steilen Aufstieg von der vierten Liga in die zweite, gab dem aufblühenden Köpenicker Verein ein Gesicht. Und Tore. Sowie: Tore. Außerdem noch Tore.

Der Verein hat verkündet, die 22, Benyaminas Nummer nicht mehr zu vergeben – bis ein anderer Spieler es schafft seine Rekordmarke zu brechen. Das wird dauern.

Mach es gut, Karim. Dann, wenn Du gehst. Und bis dahin mach noch ein, zwei oder auch drei Tore. Auf dass es länger dauern möge, Dich aus den Annalen zu verdrängen.