Es gibt eine Disziplin, in der der 1. FC Köln, oder besser: sein Umfeld, unschlagbar scheint. Im Extreme Gerüchteküching gibt es kaum jemand, der bessere und ausgefeiltere Techniken aufweisen kann als die Anhängerschaft des FC. Und während die Fachwelt staunt und der Laie sich wundert, verweist der gut informierte Fan des FC auf eben jene Küche und sagt: “Volker Finke ist neuer Sportdirektor des FC? Nun gut, der Name wurde ja schon genannt.”
Aber gut, seien wir ehrlich: Zwar tauchte der Name Finke tatsächlich inmitten vieler anderer Kandidaten auf, aber kaum jemand, wenn überhaupt irgendwer, hat daran glauben wollen. Zu weit voneinander entfernt scheinen die Welten Finke und FC. Hier der auf Langfristigkeit und Kontinuität setzende, auch bei sparsamen Mitteln offensiven Kombinations- und Angriffsfußball präferierende, sich dem medialen Zirkus nicht ergebende Fußballtrainer und dort der seine Fähnchen nach jedem frischen Lüftchen ausrichtende, gerne mal gernegroße und von den aggressiven Kölner Medien manipulierbare Fußballverein. Kann das passen?
Volker Finke soll, so die Pressemitteilung des 1. FC Köln, “übergreifend für die Nachwuchsabteilung, das Scouting, das SportsLab und die Lizenzspielerabteilung verantwortlich sein”.
Mit der Wahl Finkes demonstriert der FC, und leider muss man an dieser Stelle sagen: überraschenderweise, dass er es offenbar tatsächlich ernst meint, mit der Umstrukturierung und der konzeptuellen Neuausrichtung. Seit dem Scheitern Rapolders, seinerzeit als Trainer mit Hang zum Konzeptfußball geholt und nur vier Monate später vom Hof gejagt, wurde die Vokabel “Konzept” im Zusammenhang mit dem Ball zum Schimpfwort. Und nun wird der Vater aller Rangnicks, Tuchels und Konsorten Sportdirektor. Kein Wunder, dass sich so mancher Beobachter verwundert die Augen reibt. Dabei gilt ausgerechnet (und an dieser Stelle hat dieser Wort ganz und gar seine Berechtigung) Wolfgang Overath schon lange als Sympathisant Finkes.
Volker Finke soll also die sportliche Ausrichtung auf den Kopf stellen, gut durchmischen und durchdacht und zielgerichtet wieder auf die Beine stellen. Wobei es ein wenig irreführend ist, hier von “wieder” zu sprechen, zu oft und lange war von einer durchdachten und aufeinander abgestimmten Ausrichtung aller sportlichen Bestandteile nichts zu merken, Stückwerk und Kurzfristigkeit bestimmten das Handeln, die Wahl der fußballerischen Philosophie wurde dem jeweiligen Trainer überlassen, so er denn eine hatte – aber selbst wenn, so war er selten lange genug da.
Finke sei “Wunschkandidat der Vereinsführung” und passe “perfekt ins Anforderungsprofil” heißt es in oben zitierter Pressemitteilung weiter und an diesem Punkt muss auch der geneigte Beobachter husten. Vom “Kölner Stallgeruch”, den der neue Sportdirektor mitbringen sollte, ist bei Finke natürlich weit und breit nichts zu sehen. Und kaum überraschend ist dies einer der Kritikpunkte, der die Skeptiker sofort auf den Plan ruft: Der mitunter störrische und boulevardesk kaum verwertbare Finke trifft auf eine der aggressivsten Medienlandschaften deutscher Bundesligastädte – bei Mißerfolg sind die Schwierigkeiten vorprogrammiert. Ob der bislang leicht manipulierbare Vorstand und Verein dann den Mut haben wird, dem Sturm der Entrüstung die Stirn zu bieten?
Die anderen, ebenso schnell genannten Einwände hingegen sind schnell vom Tisch zu wischen. Finke sei im Alter von 62 und nach zwei Jahren in Japan weder jung genug, noch nah genug an der Bundesliga dran und habe zudem keinerlei Erfahrungen als Sportdirektor. Wer sich an Freiburger Zeiten erinnern kann, weiß, dass Finke dort durchaus gesamtverantwortlich handelte. Und wer seine Hausaufgaben macht, bevor er ein Urteil fällt, findet ohne größere Probleme zum Beispiel dieses Interview mit der taz aus dem vergangenen Sommer, in dem Finke sehr genau und auf den Punkt die spielerischen und taktischen Entwicklungen der WM analysiert. Oder diesen Vortrag (pdf) auf dem internationalen Trainerkongress nach der EM 2008, in dem Finke einleuchtend zeigt, dass Kombinationsfußball keine neumodische Erfindung ist. Der Mann weiß wovon er spricht.
Die ebenfalls geäußerte Sorge, Finke könne quasi als Übertrainer Trainer Schaefer erdrücken oder gar ersetzen, teile ich nicht. Wer Schaefers extrem punktgenaue Analysen nach Spielen des FC und seine Vorliebe für “aktiven Fußball” kennt, sollte guter Hoffnung sein können, dass da zwei zusammen kommen werden, die gut miteinander arbeiten können. Zumal Schaefer und Co-Trainer Lottner eben genau die kölsche Volksnähe mitbringen, die Finke vermutlich abgeht.
Alles in allem ist die Entscheidung für Finke eine mutige, aber sehr begrüßenswerte. Der 1. FC Köln hat einen Makel in der bisherigen sportlichen Leitung erkannt und versucht diesen nun mit energischen Maßnahmen zu kompensieren. Das ist etwas, das man von der Vereinsführung so gar nicht kennt. Sollte es allerdings nicht gelingen, in diesem Jahr die Klasse zu halten, droht die Gefahr, dass der Gegenwind so stark wird, dass alles wieder auf der Kippe steht.
Ob Ihr wirklich richtig steht, seht Ihr wenn das Licht angeht. Oder eben ausgeht.