Die Geschichte geht so:
Ein kleiner, aber wundervoller Verein in einer großen Stadt trifft in der kommenden Saison zweimal auf einen großen, weniger wundervollen Verein der selben Stadt. Das ist ein Novum, bislang nämlich spielten beide Vereine in unterschiedlichen Ligen, aber der große Verein hat die Vorsaison ziemlich versaubeutelt und nun muß er halt ran. Und in der ganzen großen Stadt, jedenfalls bei jenen, die sich für den Fußball als solchen oder einen der beiden Vereine im Speziellen interessiert, herrscht ein kleines bißchen Aufregung ob der kommenden Spiele, die da Derbys genannt werden.
Der große Verein, der so schnell wie möglich wieder weg will aus der Liga, die ihm nicht angemessen scheint, freut sich darauf, am Tag des Rückspiels die eigene Spielstätte mal ziemlich voll zu bekommen, ein Unterfangen, welches dem weniger wundervollen Verein in dieser Liga wahrscheinlich eher selten gelingt und wenn überhaupt nur dann, wenn es sportlich richtig gut läuft. Das ist nämlich ein sehr großes und zudem noch nicht besonders gemütliches Stadion, in das man, wenn man nicht gerade Fan des weniger wundervollen Vereins oder es ein Maitag mit Pokalfinale ist, nicht sonderlich gerne geht.
Der kleine, entzückend wundervolle Verein hingegen hat sich im Angesicht des eigenen Schweißes ein eigenes kleines, ebenfalls sehr wundervolles Stadion gebaut, auf das er zu Recht sehr stolz ist. Nun gut: Sich eines zurecht renoviert. Ganz fertig ist es noch nicht, es fehlt noch der Umbau der Haupttribüne inklusiver lukrativer VIP Logen und ähnlichem geldbringenden Schmonzens.
Nun ergibt es sich, dass der kleine Verein seit vergangener Saison einen neuen Medienpartner hat, genau gesagt eine Boulevardzeitung aus dem Teil der Stadt, in der der große Verein zu Hause ist. Nicht die überregional bekannte mit den vier großen Buchstaben, sondern eine regionale, in der Stadt, von der wir reden, aber nicht weniger bekannte mit zwei großen Buchstaben. Und die soll nun immer mal wieder viel berichten über den kleinen, wundervollen Verein, dazu ist man ja schließlich Medienpartner. Da sind diese Begegnungen zwischen dem kleinen und dem großen Verein natürlich ein gefundenes Fressen. Auch wenn eigentlich gerade Sommerloch und die erste Begegnung, die im Stadion des kleinen Stadion stattfinden soll, noch über einen Monat hin ist.
Und da dachte man sich in der Redaktion dieses Medienpartners, dass es doch eine gute Idee wäre, mal darüber zu spekulieren, warum denn eigentlich nicht beide Spiele im gar nicht wundervollen Stadion des großen Vereins stattfinden. Man bastelt sich also flugs eine an den Fingern herbeigesogene siebenstellige Summe herbei, die der kleine Verein, wenn er denn so blöd wäre und sein Heimrecht aufgäbe, angeblich zusätzlich verdienen könne. Was ein gutes Argument sein könnte, denn der kleine Verein ist chronisch klamm, er ist ja schließlich ein kleiner Verein. Und sein Stadion zwar wunderhübsch, aber eben auch nicht sonderlich groß ist.
Und weil das Präsidium des kleinen Vereins sich zwar vor einigen zurückliegenden Monden dazu äußerte, dass es nur im Pokalfinales daran denkt, im Stadion des großen Nachbarns zu spielen (abgesehen vom Rückspiel natürlich), sich aber zu der aktuell geführten Debatte, wenn man sie denn so nennen möchte, nicht geäußert hat, kommt ein wenig Aufregung unters Volk des kleinen Vereins. Das hat in grauer Vorzeit schlechte Erfahrungen mit Spielverlegungen gegen innerstädtische Gegner machen müssen und sowieso und überhaupt sieht es gar nicht ein, den durchaus mit Spannung entgegen gesehenen Wettkampf nicht in den eigenen vier Wänden zu begehen. Zu sehr hängt es an dem mit der eigenen Hände Arbeit geschaffen Bauwerk und zu oft schon musste es sich Vorschlägen spinnerter Hinterbänkler erwehren, die einen kompletten Umzug in ein anderes Stadion irgendwo ganz woanders in der großen Stadt propagierten.
Und so schüttelt das Volk des kleinen Stadions fast unisono den Kopf und weist vorsorglich darauf hin, dass eine Verlegung des Heimspiels mit einer kollektiven Abwesenheit des üblicherweise anwesenden Volks einhergehen würde. Und, stellt man sich mal kurz vor diese ganze Geschichte wäre mehr als ein Sommerlochmärchen, kommt man zu dem Schluß, dass das Präsidium des kleinen Vereins, das sonst einen recht guten und angenehmen Eindruck macht, so blöd eigentlich gar nicht sein kann. Verständlicherweise wären die – wohl eher im unteren sechstelligen Bereich liegenden – Mehreinnahmen gerne gesehen. Doch die Chance, den großen, weniger wundervollen Verein am dritten Septemberwochenende aus dem eigenen, kleinen und schnuckeligen Stadion zu fegen, es wenigstens zu versuchen: Unbezahlbar.