Ein Armutszeugnis

Ich versuch mich ja zu zügeln. Boulevardschelte, wenn es um den 1. FC Köln geht, hab ich schon so oft gebracht, viel öfter als es sinnvoll wäre. Vermutlich ist das nicht einmal mehr sonderlich unterhaltsam. Ein totes Pferd und so.

Nun sitze ich hier aber schon seit Sonntag und dieses eine Ding geht mir durch den Kopf und es will raus. Also dann, fuck that, ich mach hier, was ich will.

Am vergangenen Sonntag gab es in der ZDF Reportage einen gar nicht mal so üblen Bericht über den FC, das Durcheinander der letzten Wochen wurde beleuchtet und die allgemeine Situation in Köln und im Verein beschrieben und kommentiert. Dazu gehört auch, welch Wunder, die allseits bekannte und berüchtige Kölner Medienlandschaft. Die Reportage berichtete von den zwei großen Aufregern der letzten Wochen: Podolskis unbestrafte Anklage an den Verein und Mondragons “Hotelflucht”. In letztem Fall verhielt es sich so, dass Torwart Mondragon es für unumgänglich erachtete, zwei Tage vor einem Pflichtspiel mit dem FC ein Länderspiel in den USA zu absolvieren und aufgrund dessen nach seiner Rückkehr vorerst aus dem Kader gestrichen wurde, was den Kolumbianer dazu veranlasste, das Hotel, in dem sich die Mannschaft befand, zu verlassen. Nach Absprache mit dem Verein, wie Mondragon selbst und auch der Verein hinterher sagten, “fluchtartig” wie es hinterher kolportiert wurde – wer da nun recht hat, ist egal.

Und dann sitzt da Marcel Schwamborn vom Boulevardblättchen Express und erzählt, dass er eine halbe Stunde nach diesem Vorfall von einem Mitspieler angerufen worden sei und ihm von dem Vorfall berichtet wurde. Keine weitere halbe Stunde später war die Geschichte der “Hotelflucht!!!111einself” Klickknüller auf der Onlinepräsenz des Express.

Schwamborn sitzt da und grinst und sagt, dass es ein gutes Zeichen der Vernetzung wäre. Einerseits. Andererseits aber wäre dieser Vorfall – gemeint ist nicht die Hotelflucht, sondern der Anruf des Mannschaftskollegen – ein ganz und gar schlechtes Signal, quasi ein Armutszeugnis für Mannschaft und Verein. Und mir bleibt die Spucke weg.

Nicht, dass das der Vorgang neu wäre. Es hat, so lange ich denken kann, immer Spieler gegeben, die sich mit internen Informationen einen guten boulevardesken Leumund und ein Schutzschild gegen die gelegentlich auftretende Zerstörungswut des Express erkaufen wollten. Und schon immer hat die Zeitung, wie das auch anderenortes geschieht, man denke an Einlotharmatthäus, solche Korrumptionsersuche gefördert, gefordert und honoriert.

Und natürlich hat er recht: Das ist ein schlechtes Zeichen. Ein schlechtes Zeichen für die Vereins- wie auch die Mannschaftsführung, ein schlechtes Zeichen, wie es um die charakterliche Disposition des einen oder anderen gestellt ist, ein schlechtes Zeichen dafür, welche Macht besagte Zeitung im Verein faktisch hat.

Aber.. ist es nicht ein mindestens ebenso schlechtes Zeichen, diesmal allerdings weniger für den Verein, sondern für den Menschen und Redakteur Schwamborn, wenn er dieses Tun, an dem er maßgeblichen Anteil hat, von dem er direkt profitiert, das er fordert und manifestiert, im übertragenen Sinne als Armutszeugnis bezeichnet? Stellt er sich in dem Moment nicht selbiges Zeugnis aus? Eine Jumbotüte Doppelmoral anyone?

Oder bin ich bloß unendlich naiv?

Genug gefragt, hinabgestiegen, dies Pferd ist tot.

[Der Bericht in der ZDF Mediathek. Besagte Stelle findet sich bei Minute 3]

4 Antworten auf „Ein Armutszeugnis“

  1. Du hast natürlich in allem recht, vor allem mit der charakterlichen Fragwürdigkeit des Journos in diesem Fall. Darf ich jedoch anmerken, dass der ganze Vorfall ein sicheres Zeichen dafür ist, dass die Entlassung Soldos überfällig war? Mechansimen des Geschäfts hin, und die Qualität des Trainers Soldo her, es schien nicht zu stimmen zwischen Mannschaft und Trainer. Und: um Deine Geduld zu strapazieren, die Parallele zur Gladbacher Borussia ist doch, dass es dort diese Art von Disziplinlosigkeiten augenscheinich (noch) nicht gibt. Was andererseits natürlich wenig beruhigend erscheint, da bei uns ein “quick fix” durch Trainerwechsel weniger aussichtsreich scheint als bei euch.

    1. Die “Disziplinlosigkeiten” .. finde ich wirklich schwer zu beurteilen. Weil man ja nicht drinsteckt, in der Mannschaft. Als Anfang letzter Saison, Zampano und Expressfreund Daum war weg, der Schweiger Soldo gerade im Amt, die Zeitungen plötzlich voll waren von angeblichen oder tatsächlichen Disziplinlosigkeiten, gab es verwirrte Statements asu der Mannschaft, die da sagten: Äh.. was wollt Ihr eigentlich, wir sind Daum die ganze Zeit auf der Nase rumgetanzt, da herrscht jetzt ein ganz anderer Ton – Das mag auch nur Politik gewesen sein, aber eben drum sage ich: Wie es wirklich in der Mannschaft aussieht, was tatsächlich vorfällt, was bloß aufgebauscht wird, was benutzt wird und was nicht – da kann man viel spekulieren, und andere, die dem Verein vielleicht räumlich näher sind, wissen da vielleicht auch mehr, aber wirklich urteilen fällt schwer.

      All das soll nicht heißen, dass zwischen Soldo und der Mannschaft nicht tatsächlich Blockaden herrschten, mindestens ein Spieler jedenfalls scheint befreit zu sein, und wie wichtig der ist, hat man an seinen drei Toren gesehen.

      Und Gladbach.. ja nun. Ich wunder mich über die anscheinend herrschend relative Ruhe. Und nun ja, von Eurem Trainer hielt ich in dieser Funktion nie viel. Ich propagiere ungerne Trainerwechsel, aber in diesem Fall.. nun ja. Für den FC ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn Frontzek bleibt. 😉

    2. Hehe .. ja, wenn es tatsächlich zum “auch” kommen sollte, wäre das auch gut – mit dem Erzfeind geteiltes Leid ist halbes Leid oder so. Auch wenn ihr vermutlich und leider auch in der 2. Liga die Derbies gewinnen würdet.

      Ich dachte allerdings eher an den Kampf um Platz 16. 😉

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