Wir sind gerne der Mob. Da oben auf unserer Tribüne, solange die langsam altersschwach werdenden Beine uns noch tragen, stehend, verwandeln wir uns regelmäßig in das Tier namens “Zwölfter Mann”. Ein Tier, das sich von unserer Leidenschaft nährt, von unserer Begeisterung und der Bereitschaft für 90 Minuten Grenzen zu überschreiten, die wir normalerweise nicht überschreiten. Ich jedenfalls schreie im Alltag höchst selten erbost auf, wie ich und die anderen Teile des Tiers es tun, wenn der Schiedsrichter falsch pfeift oder Spieler XY den Passweg nicht sieht oder, schlimmer noch, Spieler YX – von denen – einen der unseren foult. Und, ja, einer der Gründe ins Stadion zu gehen, ist auch dieser. Teil des Tiers zu sein.
Aber das geht nur, weil wir wissen, dass wir gar kein Tier sind, sondern Mensch. Weil wir wissen, dass auch die 22 Spieler und die vier Schiedsrichter da unten auf dem Feld Menschen sind. Dass wir uns nach den 90 Minuten den Mund abputzen und in unser normales Leben, in dem ein freundliches Miteinander eine Zier ist, zurückkehren können. Weil auch “das blöde Arsch da mit der Vier” am Ende des Spieles sein Trikot auszieht und wieder Mensch wird und nicht bloß Spieler und heimkehren kann zu seiner Frau oder seinem Mann.
Kann er nicht, letzteres, jedenfalls nicht ohne Angst haben zu müssen und ohne sich verstecken zu müssen. Und das ist unerträglich. Es ist ein immer dräuendes Zeichen des Schande, eine ewig hallende – auch jetzt, in genau diesem Moment – Ohrfeige für uns und unsere Liebe zum Fußball, dass es Menschen gibt, die wichtige Teile ihres Lebens verstecken müssen. Angst haben müssen. Um ihre wirtschaftliche Existenz, um ihre Leidenschaft zum Sport. Angst vor den Konsequenzen haben müssen, Angst haben müssen vor uns. Uns, dem Mob.
Das muss ein Ende haben. Aktion Libero.
Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Zumindest im besten Fall, für schwule Profifußballer dauert das Versteckspiel ein Leben lang: Keiner wagt es, seine Homosexualität offen zu leben. So schön Fußball auch ist – Ressentiments halten sich in seinem Umfeld hartnäckig.
Ein unerträglicher Zustand! Ob jemand schwul ist, oder rund, oder grün, das darf keine Rolle spielen. Wir alle sollten ein bisschen besser aufpassen – auf unsere Worte, unser Denken, unsere Taten: Die Freiheit jedes Einzelnen ist immer auch die eigene Freiheit.
Wir schreiben in unseren Blogs über Sport, und unsere Haltung ist eindeutig:
Wir sind gegen Homophobie. Auch im Fußball.
Top! Super Text, richtig gut und mit Aha-Effekt! Nice!!