Es fällt schwer, die richtigen Worte zu finden. Zunächst einmal der Ungeheuerlichkeit des Geschehens selbst gegenüber. Dass es Menschen gibt, die glauben, sie hätten durch irgendetwas das Recht, einen Fußballspieler für seine Leistung zur Rechenschaft zu ziehen. Als sei er ihnen etwas schuldig, als gäbe ihnen ihr gekränktes Ego die Berechtigung den Fußball spielenden Menschen zu objektifizieren, ihn zu entmenschlichen und ihn so seiner Grundrechte zu berauben.
Der Prozess der Egobefriedigung durch Entmenschlichung (‘Ich komm hier zu jedem Heimspiel / fahr zu jedem Spiel und zahl viel Geld und investiere viel Zeit und deswegen ist mir dieser Fußballspieler etwas schuldig’) fängt schon deutlich früher an, beim auspfeifen der eigenen Spieler zum Beispiel – jeder Mensch weiß, dass Pfiffe noch keinen Spieler besser gemacht haben, das aber spielt keine Rolle, wenn die Verletzung des eigenen Egos ein Ventil braucht. Natürlich ist es ein gewaltiger qualitativer Unterschied, ob ich pfeife, das Internet mit Flüchen vollschreibe oder eben versuche, Spieler X vor seiner Haustür abzupassen. Diese Grenzüberschreitung, weg vom Dasein als Teil der zuschauenden anonymen Masse, die zum Spiel gehört, deren unmittelbare Reaktionen zum Spiel gehören, hin zur persönlichen Konfrontation und Abrechnung zwischen Fan und Spieler ist natürlich nicht tolerierbar. Diese Feststellung, so selbstverständlich sie ist, ändert aber noch nichts. Und etwas zu ändern wird schwer.
Es ist kein Kölner Problem, auch wenn die sportliche Misserfolgsgeschichte, das spezielle Kölner Verhältnis zum ersten Klub in der Stadt sowie möglicherweise die Größe der Stadt Vorkommnisse dieser Art vermutlich eher begünstigen als an anderen Standorten. “Wenn Ihr absteigt, schlagen wir Euch tot” prangte zwar unerträglicherweise als Botschaft an die Mannschaft auch schon am Geissbockheim, ist aber auch aus anderen Standorten bekannt. Auch das ist schon Grenzüberschreitung, eine Drohung, ein Einfordern eines imaginierten Rechtes auf Erfolg. Solche und ähnliche, nicht weniger martialische und gewalttätige Äußerungen finden sich auch in Foren und anderen Social Media-Seiten, vorne weg natürlich auf Facebook. Natürlich ist nicht jeder, der Spieler X oder Y verbal zum Teufel jagt, auch willens diese Botschaft per Hausbesuch zu überliefern. Im Gegenteil, für fast alle ist dieser Gedanke völlig abwegig, wenn nicht sogar für alle, schließlich wissen wir nicht, wer da vor der Haustür des Spielers stand und woher die Motivation für diesen Schwachsinn kam.
Betrachtet man allerdings Facebookgruppen wie “Pezzoni in die Wüste” ist es nicht schwer vorstellbar, dass da für den einen oder anderen die praktische Umsetzung der ausgesprochenen Drohung nicht allzu fern liegt.
Dass das Internet, wie auch Medien und Stadionstimmung, zu einem Klima beitragen, welches Menschen motiviert, die die oben beschriebene Entmenschlichung der Spieler über die Grenze hinauszutreiben, klingt nicht allzu absurd. Und vielleicht ist das der Punkt, an dem jeder einzelne etwas tun kann, im Stadion, im Gespräch mit anderen oder zu Hause vor dem Rechner: Öfter als zuvor innehalten und sich fragen, welchen Umgang mit den Spielern man da gerade etabliert. Auch wenn zwischen Wort und Tat ohne Frage ein Unterschied liegt.
Und der Verein, was kann der tun? Jürgen Klopp hat gestern dem FC den schwarzen Peter zugeschoben, eine Betrachtungsweise, die er zwar später im Aktuellen Sportstudio deutlich entkräftigte, die bis dahin aber schon längst ihren Weg in die Medien gefunden hatte. Und in der Tat, auf den ersten Blick mutet es wie ein Zurückschrecken des Vereins an, wie ein klein beigeben. Eine gefährliche Interpretation jedoch, wenn man nicht die tatsächlichen Gespräche kennt, eine völlig falsche, nimmt man die Statements des Vereins und des Spielers zur Vertragsauflösung ernst, demnach die Vertragsauflösung seitens des Spielers gewollt wurde. Dass der FC Pezzoni los werden wollte, darf hingegen in das Reich der Fabeln und Märchen verwiesen werden, es macht keinen Sinn, einen Spieler die große und kostspielige Säuberung des Kaders dieses Sommers überstehen zu lassen, ihn in die Stammformation zu stellen und ihn dann plötzlich loswerden zu wollen, ganz abgesehen von dem finanziellen Verlust.
Die kritische Frage, die es seitens des FC allerdings zu beantworten gilt ist, ob der Verein sich ebenso einem Vertragsauflösungswunsch gebeugt hätte – und damit den hausbesuchenden Vollidioten das Gefühl des Sieges gestattete – hätte es sich bei dem attackierten Spieler um einen Spieler des Formats Podolski gehandelt.
Ich wünsche dem Spieler und Mensch – und komme mir hier recht dämlich vor, betonen zu müssen, dass es sich bei einem Sportler, der natürlich auch Ware und abstraktes Idol ist, tatsächlich um einen Menschen handelt – viel Glück.
Mach et joot, Kevin.
Was können die Vereine tun? Ich denke du hast in vielen Punkten die richtigen Worte getroffen, dennoch möchte ich die Chance nutzen vielleicht ein oder zwei Gedanken ergänzen. Du schreibst davon, dass Anhänger des Fußballs “spielenden Menschen zu objektifizieren, ihn zu entmenschlichen und ihn so seiner Grundrechte zu berauben.”
An diesem Punkt gebe ich dir vollkommen recht, aber das hört nicht nur bei der eigenen Mannschaft auf, sondern fängt auch beim abgrundtief ausgetretenem Hass gegenüber der ‘anderen Mannschaft’ an. Mittlerweile geht der ausgetragene ‘Kampf’ – sei es im Internet, im Stadion oder wie der Fall Kadlec zeigt viel zu weit. An dieser Stelle setzt eine Verrohung ein, die schlussendlich auch die ‘eigene Mannschaft’ treffen kann, sollte wie von dir beschrieben die erhoffte/erwartete Leistung nicht erbracht werden.
Natürlich neckt man gerne den Stadtrivalen, Meisterschaftskonkurrent oder den vermeidlichen Retortenclub. Aber die Grenze zwischen ‘sportlicher Abneigung’ und ‘ausgelebten Hass’ ist fließend. Und dieser lässt sich natürlich in der Gruppe viel leichter praktizieren, denn dort wird Hass toleriert oder sogar im schlimmsten Fall bekräftigt.
Es baut sich natürlich auch ein enormer Druck in den Medien auf die Spieler und Fans auf. Zweite Plätze sind Misserfolge. Ein unglücklicher Saisonstart einer jungen Kölner Mannschaft ist quasi schon der Abstieg. Spieler, die den Verein alleine in die EL geschossen haben und am Wochenende vom Elfmeterpunkt scheitern, werden als ‘die größten Deppen’ der Nation dargestellt. Die Beispiele lassen sich beliebig fortführen. Dieser Druck zeigt dementsprechend Wirkung: Ich habe vor Kurzem ein Interview mit Florian Mayer (DFB Schiedsrichter) gelesen, der meinte sinngemäß: “Bei JEDEM Bundesligaspiel hat man mittlerweile den Eindruck als sei es ein Endspiel”. Das beeinflusst natürlich das Verhalten von Spieler und Fans.
Und an dieser Stelle reicht es mir nicht zu sagen: “99% der Fans sind friedlich”. Oder wie Klaus Allofs bei Sky90 sagte: “Die normalen Fans müssen dazwischen gehen”. Ich war vor einigen Jahren bei der ersten Pokalrunde zwischen Erfurt und dem FC Bayern. Einige Erfurter Fans beleidigten die ausländischen Spieler Altintop und Ze Roberto(?) weit unter der Gürtellinie – in menschenunwürdigster Form. Aber alleine mir fehlte der Mut um aufzustehen gegen eine “gefühlte Übermacht”.
Ich glaube wir brauchen sinnvolle Lösungen. Die die Bedeutung des Fußballs wieder auf ein ‘normales’ Maß reduzieren. Denn es bleibt immer noch ein Spiel. Aber ob das von den Verantwortlichen der Clubs gewollt wird, ist die Frage. Denn sie sind es die auch davon profitieren, wenn die lokalen/nationalen Medien ein Spiel im Vorfeld ins überirdische heben.