Der Spielbeobachter guckt nicht hin

Andere Blogger schenken ihren Lesern in diesen unruhigen Zeiten Oasen der optischen Ruhe: Nichts verändert sich, alles bleibt beim gewohnten, beim alten. Ich mag das ja. Hab aber leider selbst, was das angeht, Hummeln im Arsch und kann mich nicht beherrschen. Ein neues Headerbild also.

Dieses (von mir noch bearbeitete) wurde wie auch schon das Vorgängerbild von Sasha Günther gemacht, im Dezember 2003 war das. Und ebenfalls wie das Vorgängermodell in Argentinien geschossen. Genauer gesagt in Santa Fe de la Vera Cruz, im Nordosten Argentiniens. Wir sahen (und ja, ich hab auch hin und wieder hingeschaut, anders als auf dem Bild) ein Zweitliga-Spiel des ortsansässigen kleineren Vereins der Stadt (der größere ist Colon de Santa Fe), Union de Santa Fe gegen El Porvenir. Union, deren Spiel wir uns natürlich aufgrund einer gewissen Namensgleichheit zu einem herzallerliebsten Berliner Verein und der unschlagbar schönen Vereinsfarben (also logischerweise Rot und Weiß) ausgesucht hatten, spielte damals nach dem zuvor erfolgten Abstieg mal wieder in der Zweiten Liga, woran sich bis heute nichts geändert hat. Es war ein wahres Graupenspiel, um ehrlich zu sein, aber egal, am Ende gewannen die Rojoyblanco mit 2:1 und das ist, was zählt.

Werte Sabine Töpperwien,

daß Ihre Fähigkeiten als Radio-Fußballkommentatorin sagenwirmal so mittelmäßig sind, ist ja nun keine neue Erkenntnis (Was um alles in der Welt reitet Sie da eigentlich, wenn Sie in schöner Regelmäßigkeit immer dann eine Spielzusammenfassung liefern, wenn es auf dem Feld offenbar rund geht, und das Spielgeschehen beschreiben, wenn da gerade gar nichts passiert – wenn Sie nicht damit beschäftigt sind, zum x-ten Male den “Schwefelgeruch” irgendwelcher vor vielen Stunden abgebrannten Feuerwerkskörper zu beschreiben?), das also brauchen wir nicht weiter zu thematisieren.

Aber ist es denn wirklich so schwer, sich zu merken, daß Yussef “Jupp” Mohamad nicht Mohammed heißt? Mal kann sowas ja passieren, aber neunzig Minuten lang?

Freundlichst,
Ihr Spielbeobachter Radiohörer.

Güle Güle Büyük Kaptan!

Wenn ein Spieler nur ein Jahr aktiv bei einem Verein gespielt hat, und in diesem Jahr, zumindestens anfänglich, auch nicht immer geglänzt hat, und wenn dann aber trotz der kurzen Verweildauer bei der Verabschiedung dieses Spielers Fans und Freunde des Vereins große Traurigkeit empfinden, dass es nicht mehr weitergeht – dann kann man wohl gesichert davon ausgehen, daß es sich um einen großen Spieler handelt. Soweit ist Verlass auf das kollektive Gedächtnis.

Ümit Özats endgültiges Karriereende bedeutet einen großen Verlust für den 1. FC Köln. Büyük Kaptan (Der große Kapitän) nannten ihn seine türkischen Landsleute, Fenerbahçe Istanbul führte er als Kapitän dreimal zum Meistertitle in der türkischen Süper Lig. Seit Anfang dieser Saison war er auch beim FC Träger der Armbinde, seine Erfahrung, seine ruhige Art und, sportlich gesehen, sein großartiges Stellungsspiel prädestinierten ihn für die Aufgabe.

Kurz war die Zeit, aber doch bleibt einiges in Erinnerung: Die eleganten Pässe und Flanken mit dem Außenrist, die man in der Qualität schon seit ewigen Zeiten nicht mehr beim FC gesehen hatte, oder auch auch die tränenüberströmten Gesichter Özats und Mondragons (die sich noch ein halbes Jahr zuvor nach einer Niederlage durch die Umkleide geboxt hatten) Arm in Arm nach dem Aufstieg 2008 und natürlich der dramatische Zusammenbruch am dritten Spieltag dieser Saison gegen Karlsruhe.

Nun verhindert also die Narbenbildung am Herz ein weiteres Leben als Hochleistungssportler, aber Özat bleibt dem FC erhalten, vermutlich in der Funktion eines Trainers.

Güle güle büyük kaptan. Buyur etmek antrenör!*

[*ich übernehme keinerlei garantie für die sprachliche korrektheit. eventuelle berichtigungen sind herzlich willkommen]

Wenn nur das Jahr mehr Monate hätte..

.. dann nämlich könnte man als Herausgeber eines Fußballmagazins mehr als zwölf Hefte pro Jahr verkaufen und müßte nicht den üblichen Inhalt in Sonderausgaben frei nach Motto “Das Beste der Siebziger, der Achtziger, der Neunziger und von Heute” zusammenfassen, um dem Leser noch mal sechs Euro aus der Tasche zu ziehen. Hach, was wär das Leben schön, wenn nur das Jahr nicht schon im Dezember aufhören würde.

Es werde Dach!

Zeichen und Wunder geschehen. Fünf Wochen soll es nun noch dauern. Das könnte bedeuten: Am 25. April hat Union das erste Heimspiel dieser Saison – gegen Unterhaching. Nicht gerade ein Traumgegner für so ein Ereignis, aber das ist dann wirklich wurscht.

Wobei ich ja inzwischen ein bißchen Angst hab vor der Rückkehr. Wo es so gut läuft auswärts.

Alle Augen auf: Michael Parensen

Zwei “Heimspiele” hatte ich nun Gelegenheit, Michael Parensen, Ex-Kölner und Neu-Unioner, unter die Lupe zu nehmen. Hilfreich dabei ist, daß sich der linke Außenverteidiger, der er ist, im Jahnsportpark immer 45 Minuten direkt vor meinen Augen rumtreibt. Weniger hilfreich war, daß das erste Spiel gegen Offenbach auf nahezu unbespielbaren Grund stattfand, eine Beurteilung war da schlecht möglich.

Parensen, so scheint es bislang jedenfalls, hat zwei besondere Stärken vorzuweisen: Eine taktische Schulung, die ihm erlaubt, häufig und gerne im Raum zu verteidigen. Schon bei jener Rutschpartie gegen die Kickers war auffällig, daß er bei Bedingungen, die allen Anwesenden Schwierigkeiten bereiteten, Vorteile durch sein Stellungsspiel hat.
Die andere Stärke zeigte sich dann gegen Dresden, wenn auch leider noch zu selten: Starke Flanken – Mitte der ersten Halbzeit hätte eine solche, scharf von der Grundlinie hereingetragen, zum 1:0 führen müssen. Dass Parensen bei jedem Eckstoß und jedem Freistoß mit am ruhenden Ball stand, dürfte (noch) eher taktische Gründe gehabt haben. Normalerweise steht dort neben Mattuschka der diesmal gesperrte Gebhardt, um die Standardsituationen weniger leicht ausrechenbar zu machen. Ausgeführt jedenfalls wurden alle Standards von Mattuschka.

Noch ist nicht alles Gold was glänzt, mancher Zweikampf ging auch verloren, den einen oder anderen offensiven Vorstoß mehr darf er wagen – auch wenn durch das Fehlen Gebhardts Parensen quasi alleinverantwortlich für die linke Seite war und somit im Defensiven mehr gebunden war.

Der erste Eindruck, mehr zu beurteilen wär bis zum jetzigen Zeitpunkt wohl vermessen, ist gut. Den verletzten Patrick Kohlmann kann er ersetzen – und, wenn dieser wieder fit ist, wird dessen Stammplatz zumindestens nicht unumkämpft sein. Mein kölsch-eisernes Herz jedenfalls ist sehr zufrieden.

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Einmal Unioner, immer Unioner!
Fans eines jeden Verein haben ihre eigenen (legitimen) Selbstbeweihräucherungsrituale und -sprüche. Und natürlich halten die einer genaueren Betrachtung niemals stand – sie dienen der Konstruktion einer Erhöhung der eigenen Identität, nicht der Abbildung der Realität. Einmal Unioner, immer Unioner ist Ausdruck einer Sehnsucht nach Helden im Rotweißen Trikot, die sich sich genauso mit dem Verein identifizieren mögen wie der Fan. Daß es dabei unzählige Fußballer gibt, die stillschweigend den Verein verliessen, denen niemand auch nur einen Abschiedsgedanken hinterher rief (Was macht eigentlich Petar Divic?), daß es eine ganze Reihe Spieler gibt, bei deren Abgang die Fans erleichtert aufatmeten (Sreto Ristic spielt heutzutage übrigens für den SV Sandhausen) – das wird bei der Konstruktion des immer währenden Unionerseins verständlicherweise unter den Teppich gekehrt.

Entzogen werden kann die quasi automatisch verhängte Veredelung als ewiger Teil des Vereins auch. Nico Patschinski ist seit gestern kein Angestellter des 1. FC Union Berlin mehr. Ein “zerrüttetes Vertrauensverhältnis” sei der Grund für die fristlose Entlassung. Die genauen Gründe liegen im Dunkel – was durch die Medien geistert, sind Geschichten über Geldstrafen und schon lange schwelenden Kämpfen zwischen dem Spieler und der Vereinsführung. Vor allem aber von Verbrüderungen mit dem Erzfeind aus Hohenschönhausen, gemeinsamen Liedrunden und anderem, eigentlich harmlosen, möglicherweise aber vereinsschädigendem Verhalten. Gerüchte, die Grund genug sind für die Fans, Patschinski, der in seiner Jugend schon für beide Vereine spielte und in seiner zweiten Zeit bei Union bei Teilen der Fans nie so richtig ankam, das Ehrenprädikat des ewigen Unioners abzuerkennen.

Was auch immer an den Gerüchten um die Gründen für die fristlose Entlassung dran sein mag, auffällig ist, daß Union auf dem Weg in die 2. Liga mannschaftsintern den harten Besen schwingt. Guido Spork, Steven Ruprecht, nun Nico Patschinski – wer nicht mitzieht oder stört, wird aussortiert. Gemessen wird sowas letztenendes am Erfolg und der scheint recht zu geben.
Aber bin ich der einzige, dem bei dem inzwischen schon geflügelten Wort in Fankreisen von der “Vereinshygiene” ein kleiner Schauer über den Rücken läuft?

Tschö Nico. Mach et jut.

You’ll never walk alone der Woche V

Die Unterhaltungskapelle auf unserer heutigen Haltestelle auf der Reise durch die vielen Versionen des Fußballklassikers “You’ll never walk alone” pustet mit Kraft den sich mancherorts niederlegenden Staub und die pathosgeschwängerte Patina vom Lied unseres Vertrauens. Die englische Punkband The Adicts ist sicherlich nicht die einzige ihres Genres, die sich des Stückes angenommen hat, meines Wissens aber die erste – der Song erschien auf der B-Seite ihrer Single “Chinese Takeaway” im Jahr 1982 (Liebe Kinder: Ja, früher konnte man die Tonträger umdrehen, da war dann auch noch Musik. Verrückt, nicht wahr?).

The Adicts stammen aus Ipswich im Osten Englands und sind, und das ist für eine Punkband sicher außergewöhnlich, seit 1975 in der gleichen Besetzung unterwegs. Mit ihrem auffälligen Bühnenoutfit – weiße Kleidung, schwarze Bowlerhüte – welches an den Film Clockwork Orange angelehnt ist, waren sie vor allem in den Achtzigern in England in Punk- und Indiekreisen sehr erfolgreich. Nach einer eher ruhigen Phase in den Neunzigern, sind sie seit 2002 wieder aktiv – und spielen in diesem Jahr als Vorband der Toten Hosen auf deren Deutschland Tournee. Eine Gelegenheit, bei der sich sicher beide Bands zu dem von beiden gecoverten Stück zusammenfinden werden.

Und um den Fußballbezug nicht allzu kurz kommen zu lassen, ein sehr kurzer Blick auf Ipswich Town, den Verein aus der Stadt der Adicts also: 1980/81 gewannen die Blues den einzigen internationalen Titel ihrer Geschichte, den UEFA-Cup. Im Halbfinale damals warfen sie den 1.FC Köln durch zwei 1:0 Siege aus dem Wettbewerb, der somit innerhalb zweier Jahre zweimal im Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs an einer englischen Mannschaft scheiterte (zuvor war Nottingham Forest im Europapokal der Landesmeister Endstation).

Bisherige Stationen auf der Reise:
Frank Sinatra
Gerry & The Pacemakers
Patti LaBelle
Nina Simone

Kopfloses Unentschieden

Eine schwierige Aufgabe, so schien es im Vorfeld der gestrigen Partie gegen Arminia Bielefeld, hatte der FC beim Auftakt des 22. Spieltags zu lösen: Nicht nur das Spiel gegen den Gegner, sondern vor allem gegen sich selbst, gegen die eigene Ideenlosigkeit im offensiven Spiel nach vorne, gegen eine Mannschaft, die sich zurückzieht und kaum Platz zum Kontern gibt.

Sechzehn Auswärtspunkte ergeben Platz 3 in der Auswärtstabelle – das Fundament für den hervorragenden 10. Platz und die relativ beruhigende Entfernung zu den Abstiegsplätzen.
Zuhause aber läuft es nicht recht. Der FC findet noch nicht die Mittel, das Spiel machen zu können. Das ist unterm Strich in Ordnung, Abstiege werden in der Defensive verhindert und nur darum geht es. Aber gerade gegen einen Gegner wie Bielefeld wäre ein druckvolles und kreatives Offensivspiel nötig und möglich um endlich mal wieder vor heimischen Publikum einen Dreier einzufahren.

Und es sah gut aus. 25 Minuten spielte der FC genau das: Schwungvoll, druckvoll, jedoch geduldig, den Bielfeldern keine Chance gebend. In der 15. Minute das hoch verdiente 1:0. In der zweiten Hälfte der 1. Halbzeit etwas kontrollierter, weniger anstürmend, ohne jedoch das Heft des Handelns aus der Hand zu geben.
Dann jedoch: Ein miserabler Flüchtigkeitsfehler vom ansonsten gut spielenden Miso Brecko, ein Geschenk, 1:1 – ohne Kölner Hilfe wären die Bielefelder nie zum Ausgleich gekommen.

Schlimmer als der Fehler und der Ausgleich erwies sich in der zweiten Halbzeit jedoch das Fehlen der Köpfe: Kapitän Novakovic blieb leicht verletzt in der Kabine, Mittelfeldorganisator Petit folgte in der Mitte des zweiten Spielabschnitts auf die Bank, Jupp Mohamad fehlte sowieso, und gen Ende hin humpelte ein krampfgeplagter Ehret an der Seitenlinie entlang, ob des erschöpften Auswechselkontingents gezwungen, weiter zu spielen.

Fluch und Segen zugleich: Eine Mannschaft wie der FC, als Absteiger und vor einem sehr präsenten Heimpublikum, braucht eine starke Hierarchie, auch und gerade auf dem Spielfeld. Fehlt der Mannschaft dann jedoch der Kopf, so ist sie unfähig, ein kollektives und durchdachtes Angriffsspiel aufzuziehen.

Bleibt das Positive festzuhalten: Weiterhin ungeschlagen in der Rückrunde. Nur noch 11 Punkte von der legendären 40 Punkte Marke entfernt. Eine Defensive, die sicher steht – Breckos Fehler ist da eher die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Der König ist tot, lange lebe der König

Eigentlich ist es ziemlich egal, angesichts der vielen anderen Zahlen, die ins Feld geführt werden können, deren Aneinanderreihung jedem Fußballfan Gänsehaut bereiten:

Zweimal wurde er argentinischer Meister (mit River Plate), mit 60 Toren in 91 Spielen. Zu jener Zeit streifte er sich das argentinische Nationaltrikot über und gewann seinen einzigen Titel mit einer Nationalmannschaft, die Copa América. Sechs Tore erzielte er in seinen sechs Spielen für die Albiceleste, alle bei jenem Turnier.

Argentinischer Torschützenkönig wurde er nur einmal, ein Kunststück, das ihm immerhin zweimal (in nur vier Jahren) in Kolumbien gelang. In diesen vier Jahren wurde er kolumbianischer Meister: Viermal.

Und dann ging die Party erst richtig los: Innerhalb von zehn Jahren wurde er mit Real Madrid achtmal spanischer Meister. Gewann fünfmal den Pokal der Landesmeister, zweimal den Copa Latina (Eine Art Pokal der Landesmeister, beschränkt auf Teilnehmer aus Portugal, Spanien, Frankreich und Italien), einmal den Weltpokal. Fünfmal wurde er spanischer Torschützenkönig. Nur im spanischen Nationaltrikot – zwischendurch hatte er noch vier Spiele für Kolumbien gemacht – war er in Sachen Titel nicht erfolgreich, schoß aber immerhin 23 Tore in 31 Spielen.

Und auch als Trainer feierte er Erfolge: Einmal spanischer Meister sowie einmal Pokal der Pokalsieger Gewinner mit Valencia CF und zweimal argentinischer Meister, einmal mit den Boca Juniors und einmal mit River Plate – auch ein Kunststück für sich.

Nur den Titel als Rekordtorschütze Real Madrids ist Alfredo Di Stéfano seit vergangenem Sonntag nach 45 Jahren los. Seine 307 Ligatore für das weiße Ballett wurden von Rey Raúl durch ein Doppelpack beim 4:0 Sieg gegen Gijon übertroffen.

Aber das macht nichts, es bleiben noch genügend andere Titel und Rekorde für den Mann aus Buenos Aires.