Damals, bevor der 1. FC Köln in den Niederungen des Profi-Fußballs verschwand, galt eines als sicher: Das Trikot mit der Nummer Eins trug ein Spieler, der sowohl sportlich große Klasse verkörperte als auch eine wichtige Integrationsfigur für den Verein darstellte. Anton “Toni” Schumacher, Harald “Toni” Schumacher, Bodo Illgner. Von 1979 bis 1994 kam der Torwart der deutschen Nationalmannschaft aus Köln. Und so unterschiedlich Schumacher der Zweite und Illgner als Typen waren und sind, so wichtig waren sie doch beide für den Verein als Führungsspieler und Galionsfiguren.
Der FC ist sportlich noch lange nicht wieder da, wo er mal war. Ob das überhaupt gelingen kann und wenn ja, wie lange es dauert, sind andere Fragen. Doch eines ist sicher: Der Torwart des FC ist wieder wer.
Es war im dritten Spiel für den 1. FC Köln, als Faryd Mondragón 2007 den Grundstein legte für das, was er heute dem Verein bedeutet. Das zweite Heimspiel der Saison, das erste war verloren gegangen und auch jetzt sah es nicht gut aus, kurz nach der Halbzeit war Carl Zeiss Jena mit 1:3 in Führung gegangen. Ob der schon etwas ältere Kolumbianer im Tor wirklich die erhoffte Verstärkung werden würde, lag noch im Nebel der unbekannten Zukunft. Zwar hatte Adil Chihi in der 74. Minute den Anschlußtreffer zum 2:3 erzielen können, doch die Stimmung in Müngersdorf war schlecht, das Spiel des FC bis dahin auch, ein Sieg hier und heute schien undenkbar, der Fehlstart für die geplante Aufstiegssaison damit zementiert. Da wechselte der Gegner in der 80. Minute aus, Nils Petersen schlich auf der Höhe der Mittellinie vom Feld, jeder langsame Schritt eine Sekunde mehr auf der Uhr. Nicht, dass diese Zeitverzögerung irgendjemanden sonderlich gestört hätte, das Spiel war eh verloren. Einer jedoch sah das anders: Plötzlich tauchte Mondragón auf, von seinem Tor aus kam er angelaufen mit großen Schritten, nur um Petersen auf seinen letzten Metern ein bißchen Dampf unterm Hintern zu machen. Er kassierte dafür die Gelbe Karte und die Herzen der Zuschauer. Denn plötzlich war der Mut wieder da, auf den Rängen und auf dem Feld und der FC gewann tatsächlich noch 4:3. Aufgerüttelt von einem, der gar nicht einsah zu verlieren.
Faryd Mondragón wird nie das deutsche Nationalmannschaftstrikot überziehen, aber ansonsten ist er in allen Belangen ein großartiger und würdiger Nachfolger der Kölner Torwarttradition. Sportlich hat er in den vergangenen drei Jahren mit starken Leistungen zum Aufstieg und anschließendem zweimaligen Klassenerhalt verholfen. Im zerbrechlichen Kölner Mannschaftsgefüge gilt er als einer der wichtigsten Figuren und auch außerhalb der Mannschaft ist er ein Mann, dessen Wort Gewicht hat: Als Anfang der Saison jeder Windhauch von den Boulevardmedien zu einem menschheitsvernichtenden Sturm aufgeblasen wurde, hielt Mondragón ihnen eine Standpauke, die sich gewaschen hatte – mit Erfolg. Mittelfristig herrschte Ruhe.
Gestern gaben der FC und Mondragón bekannt, dass der Kolumbianer auch in der kommenden Saison zwischen den Pfosten des Vereins stehen wird. Das galt lange Zeit als unsicher, einerseits ist Mondragón mittlerweile schon 39, andererseits gab es Berichte über das Interesse zweier us-amerikanischer Vereine an den Diensten des Torwarts. Und weil spekuliert worden war, dass Mondragón hier nur um einen neuen Vertrag pokern würde, und weil er einer ist, dem das an der Ehre kratzt, lud er gestern Vertreter der Medien zum Geissbockheim um die Dinge klar zu stellen.
Und Mondragón wäre nicht Mondragón, wüßte er nicht eine solche Verkündigung zu nutzen. Als Feier seiner eigenen Bescheidenheit (“Ich habe hier, verglichen mit dem was ich in der Türkei verdient habe, auf 70% meines Einkommens verzichtet”), als glaubhafte Versicherung zum Verein (“Ich tauschte Geld gegen Glück und die Teilhabe an einem ambitioniertem Projekt”), um Vereinspolitik zu betreiben (“Wir müssen hier noch viel ändern, innerhalb und außerhalb des Vereins, besonders aber innerhalb.”), um berechtigte Medienschelte zu tätigen (“If Maniche makes Schtinkefinger, it’s more important than when we won against Bochum for example”) und um die Fanseele zu streicheln (“Niemand kann mir ins Gesicht sagen, dass ich ein Söldner wäre. Ich bin und bleibe hier, weil ich die Farben des Vereins fühle, weil ich den Verein verteidige, weil ich Teil des Vereins geworden bin.”).
Und auch wenn er hier und da vielleicht über das Ziel hinausschießt (“Ich mag nicht mehr gegen den Abstieg spielen, ich möchte um einen Europacup-Platz mitspielen und das Pokalfinale in Berlin spielen”) – jedes Wort ist glaubhaft. Dass Mondragón weiß, wie er sich verkaufen muss, um sich bei den Fans, den Medien und im Verein gut zu positionieren, und er das auch nutzt, ist sicher unzweifelhaft. Aber das ist ihm erlaubt. Weil seine Leistung stimmt und weil er sich, wie zu Beginn der Saison, auch der Gefahr sich unbeliebt zu machen aussetzt, wenn es ihm nötig erscheint. Weil er eine würdige Fortsetzung der Kölner Torwarttradition ist.
Danke Faryd und auf ein weiteres Jahr.