Sei einer Woche grübel ich, was ich so schreiben könnte, zum Kellerduell meiner beiden Herzvereine. Das Problem dabei ist, dass es aufgrund der Tabellenkonstellation sehr modrig riecht und der Verlierer – so es denn eine der beiden Mannschaften schafft, ein Tor zu schießen – tief ins Jammertal gestoßen wird. Was mir natürlich weder hüben noch drüben passen würde. Und so überkam mich jedes Mal große Unlust, über das Thema überhaupt nur nach zu denken, wenn ich mich meinem Blog näherte.
Da hilft es, wenn jemand kommt und ein paar Fragen stellt, das hat die Sektion Twitter getan, meine Antworten findet Ihr im Blog derselbigen.
Gedanken zum Fall Pezzoni
Es fällt schwer, die richtigen Worte zu finden. Zunächst einmal der Ungeheuerlichkeit des Geschehens selbst gegenüber. Dass es Menschen gibt, die glauben, sie hätten durch irgendetwas das Recht, einen Fußballspieler für seine Leistung zur Rechenschaft zu ziehen. Als sei er ihnen etwas schuldig, als gäbe ihnen ihr gekränktes Ego die Berechtigung den Fußball spielenden Menschen zu objektifizieren, ihn zu entmenschlichen und ihn so seiner Grundrechte zu berauben.
Der Prozess der Egobefriedigung durch Entmenschlichung (‘Ich komm hier zu jedem Heimspiel / fahr zu jedem Spiel und zahl viel Geld und investiere viel Zeit und deswegen ist mir dieser Fußballspieler etwas schuldig’) fängt schon deutlich früher an, beim auspfeifen der eigenen Spieler zum Beispiel – jeder Mensch weiß, dass Pfiffe noch keinen Spieler besser gemacht haben, das aber spielt keine Rolle, wenn die Verletzung des eigenen Egos ein Ventil braucht. Natürlich ist es ein gewaltiger qualitativer Unterschied, ob ich pfeife, das Internet mit Flüchen vollschreibe oder eben versuche, Spieler X vor seiner Haustür abzupassen. Diese Grenzüberschreitung, weg vom Dasein als Teil der zuschauenden anonymen Masse, die zum Spiel gehört, deren unmittelbare Reaktionen zum Spiel gehören, hin zur persönlichen Konfrontation und Abrechnung zwischen Fan und Spieler ist natürlich nicht tolerierbar. Diese Feststellung, so selbstverständlich sie ist, ändert aber noch nichts. Und etwas zu ändern wird schwer.
Es ist kein Kölner Problem, auch wenn die sportliche Misserfolgsgeschichte, das spezielle Kölner Verhältnis zum ersten Klub in der Stadt sowie möglicherweise die Größe der Stadt Vorkommnisse dieser Art vermutlich eher begünstigen als an anderen Standorten. “Wenn Ihr absteigt, schlagen wir Euch tot” prangte zwar unerträglicherweise als Botschaft an die Mannschaft auch schon am Geissbockheim, ist aber auch aus anderen Standorten bekannt. Auch das ist schon Grenzüberschreitung, eine Drohung, ein Einfordern eines imaginierten Rechtes auf Erfolg. Solche und ähnliche, nicht weniger martialische und gewalttätige Äußerungen finden sich auch in Foren und anderen Social Media-Seiten, vorne weg natürlich auf Facebook. Natürlich ist nicht jeder, der Spieler X oder Y verbal zum Teufel jagt, auch willens diese Botschaft per Hausbesuch zu überliefern. Im Gegenteil, für fast alle ist dieser Gedanke völlig abwegig, wenn nicht sogar für alle, schließlich wissen wir nicht, wer da vor der Haustür des Spielers stand und woher die Motivation für diesen Schwachsinn kam.
Betrachtet man allerdings Facebookgruppen wie “Pezzoni in die Wüste” ist es nicht schwer vorstellbar, dass da für den einen oder anderen die praktische Umsetzung der ausgesprochenen Drohung nicht allzu fern liegt.
Dass das Internet, wie auch Medien und Stadionstimmung, zu einem Klima beitragen, welches Menschen motiviert, die die oben beschriebene Entmenschlichung der Spieler über die Grenze hinauszutreiben, klingt nicht allzu absurd. Und vielleicht ist das der Punkt, an dem jeder einzelne etwas tun kann, im Stadion, im Gespräch mit anderen oder zu Hause vor dem Rechner: Öfter als zuvor innehalten und sich fragen, welchen Umgang mit den Spielern man da gerade etabliert. Auch wenn zwischen Wort und Tat ohne Frage ein Unterschied liegt.
Und der Verein, was kann der tun? Jürgen Klopp hat gestern dem FC den schwarzen Peter zugeschoben, eine Betrachtungsweise, die er zwar später im Aktuellen Sportstudio deutlich entkräftigte, die bis dahin aber schon längst ihren Weg in die Medien gefunden hatte. Und in der Tat, auf den ersten Blick mutet es wie ein Zurückschrecken des Vereins an, wie ein klein beigeben. Eine gefährliche Interpretation jedoch, wenn man nicht die tatsächlichen Gespräche kennt, eine völlig falsche, nimmt man die Statements des Vereins und des Spielers zur Vertragsauflösung ernst, demnach die Vertragsauflösung seitens des Spielers gewollt wurde. Dass der FC Pezzoni los werden wollte, darf hingegen in das Reich der Fabeln und Märchen verwiesen werden, es macht keinen Sinn, einen Spieler die große und kostspielige Säuberung des Kaders dieses Sommers überstehen zu lassen, ihn in die Stammformation zu stellen und ihn dann plötzlich loswerden zu wollen, ganz abgesehen von dem finanziellen Verlust.
Die kritische Frage, die es seitens des FC allerdings zu beantworten gilt ist, ob der Verein sich ebenso einem Vertragsauflösungswunsch gebeugt hätte – und damit den hausbesuchenden Vollidioten das Gefühl des Sieges gestattete – hätte es sich bei dem attackierten Spieler um einen Spieler des Formats Podolski gehandelt.
Ich wünsche dem Spieler und Mensch – und komme mir hier recht dämlich vor, betonen zu müssen, dass es sich bei einem Sportler, der natürlich auch Ware und abstraktes Idol ist, tatsächlich um einen Menschen handelt – viel Glück.
Mach et joot, Kevin.