Nachschlag: How to kill your Community II

Der Rauch legt sich langsam und der Blick wird freier – so könnte man denken. Tatsächlich aber bleibt alles unklar um die Umwandlung des offiziellen FC Forums. Besonders die Motivation des 1. FC Köln bleibt nach wie vor nebulös, was wohl daran liegt, daß der Verein es nicht für nötig erachtet, sich offiziell zu äußern.

Fakt ist, daß sich Admin und Moderatoren geäußert haben und eine Änderung der vorgesehen Praktik, daß nur zahlende Mitglieder des Vereins Zugang haben sollten, in Aussicht gestellt haben. Allerdings werde der Zugang in jedem Fall personalisiert werden, das heißt zum Beispiel nur über per Post zugesandte Passwörter möglich.

Darüber hinaus gibt es ein Statement, das davon berichtet, daß vor geraumer Zeit zwei Möglichkeiten im Raum gestanden hätten: Entweder das Forum würde ganz geschlossen oder eben in ein Forum mit personalisiertem Zugang umgewandelt. Dann aber habe es “Vorkommnisse” gegeben, die die Vereinsführung dazu bewogen hätten, das auch ein personalisierter Zugang nicht restriktiv genug sei.

Da öffnen sich alle Türen zum Reich der Spekulation. Andeutungen und Hinweise für die Motivation sowohl bezüglich des ursprünglichen Plans als auch für die dann erfolgte Verschärfung gibt es allerdings einige. Und sie sind fast alle unschön.

Die mögliche Motivation:
Beleidigungen und persönliche (verbale) Angriffe auf Vereinsangestellte – also sowohl Vereinsführung als auch Spieler – habe es gegeben und müssten unterbunden werden, so der Fanbeauftragte Rainer Mendel. In der Tat wurde nach manch verlorenem Spiel der Rauswurf des einen oder anderen Spielers gefordert, auch mit drastischen Worten – wie es auf jeder Fußballtribüne der Welt geschieht. Offenbar haben sich die Herren aus der Vereinsführung schon lange nicht mehr unter das Volk gemischt.
Es gibt allerdings Hinweise, daß es möglicherweise um mehr als nur ein schnödes, vulgärer formulierteres “Soldo raus!” oder ähnliches geht. Ein Thread im alten Forum, der mit Präsident Overath äußerst kritisch umging, wurde seinerzeit angeblich auf Betreiben des Vereins gelöscht. Dabei ging es weniger um niveaulose Beleidigungen, sondern um Kritik an Overaths Manier, den Verein mit nicht sonderlich kompetent erscheinenden Freunden (Stefan Engels, Jürgen Glowasz) und zweifelhaften Klüngelkönigen (So wurde Lothar Ruschmeier in den Aufsichtsrat gehievt) zu durchsetzen. Eine Personalisierung des Forums zur Vermeidung von sachgemäßer Kritik?

Noch gruseliger sind Gedanken, die zwangsweise entstehen müssen, wenn man sich durchliest, was eine Handvoll FC Fans, die als Reaktion auf Emails an den Verein vom selbigen am Freitag angerufen wurden, berichten: “Der FC hat sich zu diesem Schritt entschlossen aufgrund persönlicher Beleidigungen gegüber Spielern und Offiziellen des FC’s, des Weiteren wurde im alten Forum die Führungspersönlichkeiten anderer Bundesligavereine beleidigt und so ein Verhalten kann und will vom FC nicht geduldet werden.” gibt User THC-Ben eines dieser Gespräche wieder. Die Zerschlagung der eigenen Community aus vorauseilendem Kadavergehorsam gegenüber Dietmar Hopp und dessen völlig unangemessener Dünnhäutigkeit und noch unangemessenerem Streben nach Sonderbehandlung? FC, mir graut vor Dir.

Sollten diese Begründungen tatsächlich die Ursache für den Plan, das Forum zu personalisieren sein, bleibt allerdings immer noch die Frage, warum ein nicht angemeldeter User dann nicht in der Lage sein darf, im neuen FC-Forum mitzulesen. Die Verhinderung anonymen Schreibens kann möglicherweise mit der Sorge vor Rechtsunsicherheit in den oben aufgeführten Fällen begründet werden, das Verhindern anonymen Lesens nicht. Der einzige Beweggrund, der mir dafür einfällt, ist ein Versuch des FC, die Forumsuser auf diesem Weg zur Mitgliedschaft zu drängen und somit zur Kasse zu bitten. Oder aber: Die pure Inkompetenz und die damit verbundenen Unwissenheit über den Unterschied zwischen Lesen und Schreiben.

Die Fehler:
Was auch immer man von dem ganzen Vorhaben halten mag, feststeht, daß die Art und Weise des Vorgehens ein ungeheures Maß von Inkompetenz und Ahnungslosigkeit offenbart. “Die 1 in 1.FC Köln steht eindeutig für Web1.0.” sagt Max-Jacob Ost und ich bin mir nicht sicher, ob der FC es überhaupt schon bis zum Web 1.0 geschafft hat. Eine dermaßen aktive und vitale Community, für die andere Vereine oder Unternehmen einiges geben würden, wenn sie nur die Möglichkeit hätten, sie zu erlangen, zu opfern, statt auf sie aufzubauen ist ein deutliches Zeichen dessen, daß der Verein offenbar keinerlei Ahnung vom vorhandenen Potential hat. Die hysterische Angst, die der Verein offenbar vor in einem Forum getätigten Meinungsäußerungen hat, festigt diesen Eindruck. Daß der Verein dabei offensichtlich auf Leute wie Konstantin NevenDuMont hört, der sich im Forum des Kölner Stadtanzeiger damit brüstet, dem FC eine Realnamenvariante, die seiner Meinung nach so oder so die Zukunft in Internetforen sein wird, nahegelegt zu haben, um “undementierte Unwahrheiten” zu verhindern, macht die Sache keineswegs besser.

Hätte der FC tatsächlich allein Sorge davor gehabt, daß Stil und Niveau des Forums dermaßen aus dem Ruder laufen, daß Klagen nicht zu verhindern gewesen wären, so wäre der erste Schritt gewesen, dafür Sorge zu leisten, daß von den acht Moderatoren tatsächlich acht und nicht nur zwei bis drei ihrer Aufgabe nachkommen. Die ehrenamtlichen Moderatoren werden mit einer Dauerkarte belohnt (wollen wir hoffen, daß sie daneben aus eigenen Stücken auch noch Vereinsmitglieder sind, sonst haben sie Schwierigkeiten sich im neuen Forum anzumelden), das sollte doch eigentlich reichen sie dazu zu motiveren.

Auch die Idee, eine Community zu einem solchen Schritt innerhalb einer Tagesfrist zu bewegen ist von einer solch großen Abwegigkeit, daß Kopfschütteln alleine nicht mehr reicht. Wie, lieber FC, habt Ihr Euch das vorgestellt? “Hallo User, bitte verlasst Euer über Jahre angestammtes virtuelles Heim jetzt, werdet schnell Mitglied und dann sehen wir uns in einer halben Stunde drüben”? Könnt Ihr nicht mal jemanden einstellen, der sich in seinem Leben schon mal im Netz bewegt hat, und sei es vor zehn Jahren mit einer 15-Freistunden-AOL-CDRom? Der hätte mehr Ahnung als Ihr. Und ja, das war eine Beleidigung – ich sag es nur, da zu befürchten steht, daß Ihr nicht mal das wißt.

Die Chance:
Wie schon erwähnt, ist ein Großteil der aktiven User flugs ausgezogen und hat ein eigenes vorläufiges Forum aus dem Boden gestampft. Eine Community, von Fans für Fans, entsteht und die dabei ablaufenden Prozesse sind faszinierend zu beobachten: Ein kanadischer Server steht bereit, hektisch wird am neuen Design gebastelt, Fragen der inneren und äußeren Selbstverwaltung und des selbstbestimmten Umgangs miteinander werden diskutiert. Manch bislang als Schreihals bekannter User findet sich plötzlich in Diskussionen um das Für und Wider von Moderation wieder, in der er sich gezwungen sieht, ganz andere Standpunkte einzunehmen als bislang. Eigenverantwortung ist ein gar hübsches Pflänzchen und die damit einher gehenden notwendigen und sicher auch anstrengenden basisdemokratischen Prozesse sind nicht nur mehr Web 2.0 als es der FC bislang jemals war, sondern werden auch dann Blüten tragen, wenn der Versuch, dieses Forum von Fans für Fans aufrecht zu erhalten auf mittel- oder langfristige Sicht scheitern sollte. Bislang sieht es danach aber nicht aus, im offiziellen neuen Forum gibt es derzeit 1121 Anmeldungen, im inoffiziellen 2885 Mitglieder. Klarer Punktsieg für die Fans also.

Der FC selbst wird auf diesem Wege freilich keine Einflußmöglichkeit mehr auf seine Fans haben, sollte das Experiment gelingen. Und das scheint gut so zu sein, denn offenbar ist es dringend notwendig, daß der Vorstand des Vereins daran erinnert wird, daß die Fans mehr sind als Kunden, die jederzeit zur Schlachtbank geführt werden können. Neue Kunden nämlich lassen sich an jeder Ecke rekrutieren. Fans nicht.

3 Antworten auf „Nachschlag: How to kill your Community II“

    1. Ja, da hast Du völlig recht, das sind in der Tat wichtige Fragen. Wobei mir wichtig erscheint, klar zu stellen, daß es bei diesen Fragen nicht um das derzeitige inoffizielle (Übergangs)Forum geht, sondern um das, welches in Zukunft die Heimat sein soll.

      Aber auch abgesehen davon, ist ein Scheitern natürlich möglich. Sei es daran, daß das Interesse erlahmt und die User dann doch lieber den faulen Batzen Personalisierung fressen oder sei es an Profilneurosen oder oder oder. Der Möglichkeiten des Scheiterns gibt es viele, dieser Prozess zur Eigenverantwortlichkeit ist schon in der Realität schwer genug, virtuell noch schwieriger.
      Was aber den Versuch meines Erachtens weder wertloser macht noch den Sinn schmälert.

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