Das war so: wie schon des öfteren in diesen schriftlichen Gefilden erwähnt, reiste ich einst mit Freund S. einige Monate durch den Süden Südamerikas. Argentinien in erster Linie, von Nord bis Süd, dann ganz unten am Ende der Welt hinüber nach Chile und dort wieder hinauf, um zum Schluss noch einige Wochen in der schönsten Stadt der Welt, Buenos Aires zu verbringen.
So weit, so gut. Das Problem für zwei Fußballfans in Argentinien und Chile lag im Reisezeitraum. Sommer. Also: hier Weihnachten und dort – Sommerpause. Das ist einigermaßen blöd, will man gerne Fußball live im Stadion sehen. Ein Zweitligaspiel in Santa Fe am Anfang der Reise, ein Ligaspiel bei San Lorenzo sowie ein Copa Libertadores-Spiel Independientes am Ende der Reise. Eine magere Ausbeute für drei Monate. Zwischendurch half nur die Zusammenfassung der schönsten Maradona-Tore, die täglich auf irgendeinem Fernsehsender zu finden war. Und, und davon will ich hier eigentlich erzählen, das Torneo Preolímpico Sudamericano Sub-23.
Wir befanden uns zufälligerweise gerade in Viña del Mar, an der chilenischen Küste auf Höhe Santiagos gelegen, und wie es der Fußballgott wollte, fand just zu diesem Zeitpunkt der vorletzte Spieltag dieses Olympiaqualifikationsturniers statt. So pilgerten wir ins Estadio Sausalito und sahen nicht ein, nein: zwei Spiele, direkt hintereinander. Zunächst, für das weitesgehend chilenische Publikum eher eine Vorspeise, der spätere Olympiasieger Argentinien mit einem Sieg gegen Paraguay, immerhin späterer Silbermedaillengewinner. Die Sympathien des chilenischen Publikums waren eindeutig auf argentinischer Seite, unsere nicht weniger, und so sahen wir in Ruhe und Freude Javier Mascherano und dem Jungstar jener Zeit, Carlito Tévez, zu, beides Spieler, von denen wir auf der bisherigen Reise schon einiges gehört hatten.
Dann kam der Hauptgang und unsere Kenntnis über Spieler im chilenischen oder brasilianischen Trikot sank auf Null. Diego spielte, er schoss sogar eines der Tore, die zum 3:1-Sieg für Brasilien führten und half damit, Chiles Hoffnungen auf eine Olympiateilnahme endgültig zu beerdigen. Aber damals sagte mir der Name Diego nichts und das war auch völlig in Ordnung so, wer will schon brasilianische Spieler kennen?
Der chilenischen Seite hingegen flogen sofort unsere Herzen zu. Zugegeben, auch wegen der Gesänge und der freudigen Unterstützung des Publikums für die deutlich unterlegenen Jünglinge in Rot-Blau. Und selbstverständlich sahen wir es als unsere Aufgabe, aus der Elf der Jungspunde, die da vor unseren Augen ihrem Spieltrieb nachging, ein Juwel herauszupicken, um dessen Namen sofort in die Heimat zu kabeln, auf dass der Lieblingsverein sofort einer Verpflichtung des kommenden Weltstars nachkomme.
Daraus wurde nichts. Die beiden natürlich formidabel geschulten Expertensuperscouts konnten sich nicht einigen. Der eine bevorzugte den etwas dunkelhäutigen Flügelflitzer, der andere den mit wehenden Haaren durch das Mittelfeld wirbelnden Zehner. Kein Telegramm in die Heimat, so viel war klar. Aber eine Wette war geboren: Gewinner ist der, dessen Spieler es als erster schafft, in unserer europäischen Fußballblase aufzutauchen. Sei es als Vereinsspieler, in einem europäischen Pokalwettbewerb, sei es als Nationalspieler.
Um es – endlich – kurz zu machen: auch daraus wurde nichts. Beide wechselten im kommenden Sommer gleichzeitig zu Servette Genf, auf Leihbasis, machten zwei Handvoll Spiele und verschwanden nach einer Saison wieder nach Südamerika.
Immerhin: beim Spiel der Chilenen gestern gegen Australien, wurde “meiner”, Jorge Valdivia, in der 68. Minute für S.’ Objekt der Begierde, Jean Beausejour, ausgewechselt. Beide schossen je ein Tor. Expertensuperscouts, sag ich doch.