The Sound of Weltmeisterschaft

Das Schöne am Fußballgucken ist, neben dem Fußball selbst natürlich, die Art des Fußballguckens. Die ist nämlich anders, von Stadion zu Stadion. Das heißt: Mittlerweile leider nicht mehr, jedenfalls was die großen bundesdeutschen Stadien angeht, da ist ein Ultragesang wie der andere. Aber es gibt sie noch, die Kleinodien der Fußballkultur, in denen eine eigene Art des Fußballgeniessens und -feierns vorhanden ist.

Das Schöne an Fußballweltmeisterschaften, neben dem Fußball selbst natürlich, ist, daß sie den Zuschauer entführen, in fremde Kulturen. Auch in fremde Fußballkulturen. Dass in Südafrika rund um die Uhr (also: in neunzig Minuten) die Tröte erklingt, wenn der Ball läuft, ist normal. Für Südafrika. Für Deutschland, Frankreich oder England nicht. Diese Weltmeisterschaft aber findet weder in Deutschland, noch in Frankreich und auch nicht in England statt. Und in Südafrika wird getrötet.

Das mag man schade finden, gerade im Hinblick auf die in Europa übliche Form der Unterstützung, den Gesang, der dadurch verloren geht. Die nach zwei Spielen der Weltmeisterschaft 2010 allerdings allerortens vorgetragene Forderung, die Vuvuzelas mögen auf alle Zeiten verstummen oder wenigstens vom mächtigen Sepp verboten werden, zeugen von einem plumpen, eurozentristischen Weltbild, dass die Schwarte kracht: Diese Afrikaner, was bilden die sich eigentlich ein, dass die diesen Lärm während eines Fußballspiels machen, statt gesittet, wie unsereins, besoffene, unsinnige, sich ewig wiederholende und sich durch mangelnde Intelligenz in Inhalt und Grammatik auszeichende Gesänge von sich zu geben? Was bilden die sich eigentlich ein, nicht so zu sein wie wir und kann man das denen nicht verbieten?

In Osteuropa ist ein Fußballfan nur ein jämmerlicher Blender, wenn er nach neunzig Minuten nicht mehrere Zentner Sonnenblumenschalen auf dem Boden neben seinem Platz vorweisen kann. Fußball ist anders, überall. Und das ist spannend und gut so.

8 Antworten auf „The Sound of Weltmeisterschaft“

  1. Da bin ich… zu 100 Prozent bei Dir! Warum habe ich dauernd das Gefühl, dass “wir” (Weiße, Europäer etc.) ständig den Afrikanern in die WM reinquatschen müssen?! Das ist der Entwicklungshilfe-Rassismus, der sich jetzt auch in der WM-Berichterstattung breit macht. Widerlich.

  2. Kennst du das, wenn du abends im Bett liegst und dir plötzlich eine Mücke um den Kopf schwirrt? Wenn mir das passiert, reagiere ich immer sehr gereizt. Dieses schreckliche Summen hält mich vom Schlafen ab, und “let’s face it”, es ist einfach nervig, egal zu welcher Zeit oder in welchem Zusammenhang. Ich liege da also und versuche alles, dieses monotone Geräusch auszublenden (z.B. Decke über den Kopf oder einfach ignorieren), aber nichts funktioniert. Und die Mücke will auch nicht verschwinden. Ich werde also so langsam wütend (keine Ahnung warum) und wälze mich vor Unruhe hin und her. Die Mücke treibt mich in den Wahnsinn. Und dabei habe ich gar nichts gegen die Mücke an sich. Ich mag schließlich alle Tiere. Und Mücken haben ja auch ihre Daseinsberechtigung. Die dürfen mich sogar stechen. Ich habe genug Blut. Das gebe ich gerne ab. Aber dieses verdammte Summen, wenn ich schlafen will! Argh!

    Ich akzeptiere die Mücke, ich akzeptiere, dass sie sich anders verhält als ich, aber in den Wahnsinn treiben tut sie mich trotzdem! Und dass der Deutsche sich gern lautstark über alles und jeden aufregt, ist ja auch keine Neuigkeit. Ich werde mich deshalb weiter aufregen.

  3. Ich hab eigentlich auch nichts gegen die Dinger. Die sind einfach neu für uns. Aber deren Lautstärke ist doch nicht normal. Und ich glaube das ist es einfach was viele so stört. Die Fangesänge kommen im TV nie so laut rüber. Wenn die Spieler das teilweise schon ungewöhnlich finden, wie sieht es dann auf der Tribüne aus? Da muss ja jeder mit einem Hörschaden rechnen der sich da zwischen begibt.

  4. Ich möchte noch hinzufügen: Wer (berechtigte) Kritik an den Ultragesängen übt, sollte auch Kritik an der südafrikanischen Art “anzufeuern” zulassen. In Südafrika ist die Stimmung übrigens auch nicht von Stadion zu Stadion anders. Diese Tröten sind doch überall. Selbst wenn keine afrikanische Mannschaft spielt, wie man gestern bei Uruguay-Frankreich hören konnte. Gesänge haben aufgrund der (wahrscheinlich auch noch schädlichen) Lautstärke der Tröten überhaupt keine Chance. Ich bin auch sehr froh, dass ich es nur am TV erlebe, und nicht im Stadion.

  5. Ich stimme dir da voll zu. Insbesondere die Moderatoren der TV Sender finde ich schrecklich, z.B. Netzer und Delling, welche sich allesamt über die Vuvuzelas aufregen. Aber die Vuvuzela ist nun mal typisch für die Stimmung in afrikanischen Stadien. Was bilden die sich denn ein, den Südafrikanern das Tröten verbieten zu wollen?

    Übrigens war gestern bei Uruguay gegen Frankreich gegen Ende des Spiels für eine halbe Minute der Gesang der Franzosen “Allez les bleus” zu vernehmen. Der Gesang wird also nicht komplett unterdrückt!

  6. Bei der letzten WM war ich bei 5 Spielen im Stadion und ich habe die Stimmung und Atmosphäre genossen. Jedes Land hat seine eigene Art gehab, egal ob von dem europäischen, asiatischen, amerikanischen oder auch afrikanischen (!!) Kontinent und hin und wieder sprang sogar der Funke von den Rängen auf den Rasen über und es herrschte gänsehaut Atmosphäre für Spieler und Zuschauer und die Mannschaften wurden spürbar gepusht. All dieses wird es bei der WM in Südafrika wohl leider nicht geben und das ist einfach nur traurig.

    Ähnlich wie die monotonen Dauergesänge der Ultras empfinde ich dieses Dauergetröte, jedoch mit dem Unterschied, dass wirklich jeglicher andere Support verhindert wird. Und hier von einer europäischen und weißen Arroganz zu sprechen ist der größte Quatsch überhaupt. Die Vuvuzelas sind weder afrikanisch, noch ein langjähriges Kulturgut in den dortigen Stadien, sondern die vereinfachte Version der in den Achtzigern beliebten Druckluft-Hörnern, die vor einigen Jahren aus dem Ausland importiert wurden.

    Es ist einfach nur traurig, dass keine WM-Atmosphäre der verschiedenen Kulturen aufkommt und alles im Tröten-Einheitsbrei untergeht, ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Risiken und der gestörten Kommunikationsfähigkeit auf dem Platz.

Schreibe einen Kommentar zu zechbauer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.