Ein Abend in Köln-Deutz

Gebannt blickten die Gagschreiber der Republik gestern abend nach Köln, besser als jede Karnevalssitzung, so hieß es, würde sie bestimmt werden, die Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln. Ein Vergleich, der in der Regel von Menschen gezogen wurde, die noch nie in ihrem Leben auch nur in der Nähe einer Karnevalssitzung waren und welcher, wie sich zeigte, auch wenig passend war, denn Witze, ob gute oder schlechte, wurden wenige gemacht.
Wie bekannt sein sollte, wohnt der Spielbeobachter (also icke jetzt) schon lange nicht mehr in Köln, war also auch nicht anwesend. Dank der modernen Medien war es aber möglich beinahe dabei zu sein, ein Versuch der Einordnung des Geschehenen soll also folgen.

– Die Nicht-Entlastung des Vorstandes hat kaum rechtliche Bedeutung. Ob die symbolische Bedeutung über “XY raus!” Sprechchöre im Stadion hinausgeht, darf bezweifelt werden, es sei denn Wolfgang Overath nimmt sich diese “Ohrfeige” derart zu Herzen, dass er sein Denkmal in Gefahr sieht. Dann könnte noch ein nachträglicher Rücktritt erfolgen, allerdings vergäbe er sich damit die Chance, seinen Namen vom aktuellen Makel frei zu waschen.

– Mit Ruhm bekleckert hat Overath sich allerdings nicht. Dass er zum Beispiel mehrfach darauf hinwies, ja nur ehrenamtlich beschäftigt zu sein und nicht nah genug am Tagesgeschäft zu sein, um Spieler, die verpflichtet werden, im Vorfeld schon gut genug einordnen zu können, wäre an und für sich ganz und gar im Sinne eines Präsidenten, der mit großem Namen repräsentiert und Sponsoren bindet, das Tagesgeschäft aber kompetenteren Leuten überläßt. Erinnert man sich allerdings früherer Ankündigungen Overaths, so zum Beispiel, dass jeder Transfer über seinen Tisch gehen würde, klingt dies wie der schlecht verhüllte Versuch eines bockigen Kindes den schwarzen Peter loszuwerden.

– Den von den Fans und Teilen der Medien geforderten Rücktritt Michael Meiers, bzw. dessen Entlassung, wird es vorerst nicht geben. Zwar schwankte Overath im Laufe des Abends einige Male bedenklich zwischen “Das wird es mit mir nicht geben” und “Wir werden darüber nachdenken”, letzteres muss aber wohl als relativ spontane und nicht nachhaltige Reaktion auf die aggressive Grundstimmung des gestrigen Abends geschuldet gesehen werden.

– Keine neue Erkenntnis: Auch eine quasi basisdemokratische Revolution braucht Köpfe, rhetorische Gewandheit ist ein Muss. Der Fragen-an-den-Vorstand-Teil des Abends, von selbigem allerdings auch nach bester Funktionärsweisheit als Blockveranstaltung getaktet, war offenbar in weiten Teilen, wie zu erwarten war, ein Fiasko. Weltfremde Forderungen und zielloses Gebrabbel haben noch keinen Machiavellisten vom Thron gestürzt.

– Die aus meiner Sicht entscheidende Frage des Abends wurde offenbar nicht beantwortet: Wie sieht es denn aus, das längerfristige Konzept um den 1. FC Köln aus seiner mittlerweile zur Normalität gewordenen fünfzehnjährigen Krise zu führen? Gab es in der Tat den Plan, wie in den vergangenen Wochen vereinsseitig behauptet, mit massiven Investitionen (Daum, Özat, Mondragon, Maniche, Womé, Podolski) aus dem Fahrstuhl auszusteigen, um dann mit leeren Kassen und Kräften aus der eigenen Jugend in Liga Eins zu überleben, bis die Fernsehgelder den Umstand vergessen haben, dass der FC in der jüngeren Vergangenheit immer wieder nicht zu den ersten achtzehn Mannschaften gehörte? Und falls ja: Wie geht man nun mit dem momentanen Rückschlag um? Und, falls es dieses Konzept gab, warum um alles in der Welt klingt es dann verdammt so, als wäre es den FC Granden erst jetzt eingefallen, als wäre es ihnen erst jetzt offensichtlich geworden, dass die Kassen leer sind.
Hätte sich vor drei, vier Jahren jemand hingestellt und gesagt, dass ein Ausstieg aus dem Fahrstuhl nur so möglich sei, nämlich mit Klotzen, dies allerdings zur Folge habe, dass anschließend nur gekleckert werden könne und dies wiederum bedeute, dass es nach der erfolgreichen Abwendung der unmittelbaren Wiederabstiegsgefahr ein, zwei sehr magere Jahre geben würde – das Geschrei heute wäre nur halb so groß, falls überhaupt.

Aber, wenn der gestrige Abend eines gezeigt hat, so dies: Transparenz und Offenheit sind Fremdwörter für den FC Vorstand – dies allerdings nur unter der Vorausetzung, dass es den oben skizzierten Plan überhaupt gab. Alles andere wäre blindwütige Wurtschelei. Und das klingt leider genauso wahrscheinlich.

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