Die Metamorphose eines Artikels

Irgendwie werd ich sie nicht los, die Rolle als Medienkritikaster. Dabei hab ich nun schon oft genug hier und vor aller Welt Besserung gelobt. Aber die folgende kleine Geschichte ist eigentlich zu schön, um sie unerwähnt zu lassen.

Gestern berichtete ich von der Vorstellung des neuen Trainers des 1. FC Köln, Ståle Solbakken. Nachdem ich meinen kleinen, schlurchigen Eindruck abgeschickt hatte, warf ich einen schnellen Blick in die Medienlandschaft, um zu sehen, welche Reaktionen dort zu lesen seien. Dabei fiel mir, wie ich dann auch in einem P.S. zu meinem Artikel erwähnte, in einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers folgender Satz auf: “Auch von der ansässigen Presse hat Solbakken laut eigenen Angaben viel Gutes gehört”.

Ein Hohn, dieser Satz, denn jedem Menschen mit einem Hauch von Wissen über die Geschichte des 1. FC Köln und seinem Verhältnis zu den Kölner Medien war klar, dass Solbakkens lachend vorgetragenes Statement (“The way Cologne sold the club to me was very, very honest, they said that the press here was very very nice”) nichts weiter als gutgelaunte Ironie war.

Nun gut. Die Kölner Presse verkauft einen ironischen Seitenhieb als ernsthaftes Lob. Darüber kann man sich ein wenig aufregen, muss man aber nicht. Es gibt Wichtigeres.

Doch offenbar war ich nicht der Einzige, dem dieser Satz aufstieß, in verschiedenen Foren wurde darüber geschrieben und vor allem: Unter dem Artikel fanden sich Kommentare, die sich kritisch mit ihm auseinandersetzten.

Irgendwann im Verlauf des gestrigen Tages oder Abends verschwand dann dieser Artikel und an seiner statt erschien ein neuer Artikel mit dem Titel “Stale Solbakken stellt sich vor” – allerdings unter dem gleichen Link zu erreichen, was bedeutet, dass die sich auf die merkwürdige Interpretation des Solbakkenschen Satz beziehenden Kommentare weiterhin lesbar sind.

Oder besser: waren. Heute morgen nämlich passiert zweierlei: Zum Ersten kommentiert der Kölner Stadtanzeiger seinen eigenen Artikel in Bezug auf die kritischen Kommentare und bittet die Leser “die tatsächlichen Zusammenhänge zu prüfen, bevor Sie unseren Autor diffamieren”, der Artikel sei nämlich gar nicht von einem Redakteur des Hauses, “dieser Artikel war der Text einer Presseagentur, wie Sie im Kürzel am Ende des Artikels erkennen konnten.” Abgesehen davon, dass der interessierte Leser nichts mehr erkennen kann, da der ursprüngliche Artikel verschwunden war – googelt man den Satz, um den es geht, nämlich “Auch von der ansässigen Presse hat Solbakken laut eigenen Angaben viel Gutes gehört”, so findet man Links zum Kölner Stadtanzeiger sowie zu diversen Foren und diesem kleinen Blog hier. Mit anderen Worten: Handelte es sich um den “Text einer Presseagentur”, so war offensichtlich außer der größten seriösen Zeitung vor Ort niemand im ganzen weit(entfernt)en Land der Meinung diesen übernehmen zu müssen. Hm. Hm.
Zum zweiten – rund zwei Stunden später – verschwindet der neue Artikel “Stale Stolbakken stellt sich vor” aus dem Internetauftritt des Kölner Stadtanzeiger (ist allerdings noch über den von mir angegebenen Link auffindbar und auch, wenn man explizit nach dem Titel sucht, über die Suchmaske der Zeitung zu finden) und wird durch den Artikel “Deutsch als erste Verpflichtung” ersetzt. Dieser ist hundertprozentig deckungsgleich mit seinem Vorgänger, nur der Link und der Titel ist ein anderer. Und, huch, die kritischen Kommentare sind auch verschwunden, die stehen ja schließlich unter dem alten Artikel.

Qualitätsjournalismus, altes Haus, sag mal, brauchst Du mal ein bisschen Nachhilfe?

So, und nun wieder zu Wichtigerem.

6 Antworten auf „Die Metamorphose eines Artikels“

  1. Lüge der Online-Redaktion Interessant ist auch folgender Kommentar der Online-Redaktion zum Ursprungsartikel:

    “Der nun veröffentlichte Artikel von unserem Autor Michael Krämer steht in keinem Zusammenhang zum Artikel, der am gestrigen Dienstag vorher auf ksta.de veröffentlicht wurde. Dieser Artikel war der Text einer Presseagentur, wie Sie im Kürzel am Ende des Artikels erkennen konnten.

    Der Artikel von Michael Krämer ist keineswegs eine Korrektur des ursprünglichen Artikels, sondern lediglich der Artikel, der heute in der Printausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger zum Thema 1. FC Köln erschienen ist. Wir möchten Sie bitten, die tatsächlichen Zusammenhänge zu prüfen, bevor Sie unseren Autor diffamieren. Vielen Dank.

    Die Online-Redaktion”

    Interessant hierbei ist, dass ich mir 100% sicher bin, und in dieser Ansicht auch noch bestätigt wurde, dass die Kopfnote Michael Krämer und Karl-Heinz Wagner als Verfasser im Ursprungsartikel führte.
    Nun kann man sagen, gut, das mag ein Versehen gewesen sein, einem Agenturtext gleich einem Autorenteam zuzuweisen.
    Die im Kommentar erwähnte Signatur der Presseagentur lässt sich ja nicht mehr prüfen, da der Artikel vom Netz genommen wurde.

    Dummerweise gibt es Internetforen mit Presse-Threads samt fleißigen Copy-Pastern, sofern man annimmt, dass die fleißigen Kopierer sich keine eigenen Signaturen für Presseartikel ausdenken, stellt sich die Behauptung, es sei ein Agenturtext und auch als solcher gekennzeichnet gewesen, als dreiste Lüge heraus:
    http://www.fc-forum.net/showthread.php?6526-Thema-Presseberichte-Mai-2011&p=646034&viewfull=1#post646034

    Was man davon halten soll, bleibt jedem selbst überlassen.

  2. Gewissenbisse zum gleichnamigen Artikel verfasste ich heute zwei Kommentare – weder diffamierend noch geisteslos.
    Leider muss ich zum Erstaunen feststellen, dass die Kommentarfunktion des KStA sogar die einfache Frage (“Warum ist der Artikel im Wortlaut (Strg+C) mit einer anderen Überschrift im Online-Angebot des Stadtanzeigers und ohne Leserkommentare eingefügt worden (Strg+V) ?”) zensiert.
    Was passiert aktuell im Hause Dumont ?

  3. Ob der Stadt Anzeiger noch wirklich seriös ist, darüber läßt sich was den FC angeht schon nicht mehr streiten. Die Handlungsweise den Artikel betreffend beweist das doch trefflich, oder?
    Einmal mehr zeigt sich, wie die Presse in Köln mit der Wahrheit umgeht, wenn es um den FC geht….
    Traurig, mehr fällt mir nicht mehr ein.
    Der Kommentar vom Trainer war herrlich und trocken!

  4. Ich hatte den Artikel von der angeblichen Agentur auch gelesen und war nicht nur wegen dem Satz bezüglich der Presse schon fast aufgebracht. Denn da stand ja auch noch “…versucht mit seinen Deutschkentnissen Eindruck zu schinden…” wie ich fand eine unverschämtheit.
    Was der ksta jetzt wieder für ein Theater um den Artikel gemacht hat mit raus nehmen unter gleichem Link weiter laufen lassen und und und, zeigt mir das nicht nur die Berichterstattung erhebliche Mängel aufweist sondern auch das betreiben der Webseite noch deutlich ausbaufähig ist.

    Das Problem vom Ksta ist denke ich mal der Express, da die ja alles sofort online stellen egal ob bestätigt oder nicht. Ich glaub die würden sogar aussagen von mir online stellen wenn ich denen am GBH beim Training erzählen würde “Der Lukas hat ein 80. Mio Angebot von Real” :D.
    Da will der ksta mithalten und dadurch kommen solche Sachen zustande. Was allerdings keine Entschuldigung sein soll.
    Man müsste Blöd und Express boykottieren aber dat ist ja fast unmöglich in Köln.

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