Der Flügel und Podolski oder auch: Der Feind in seinem Rücken

Das Spiel ist jedes Mal dasselbe: Wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt und Lukas Podolski in ihren Reihen steht, ist das Gejammer groß: Die Defensivarbeit des Kölners sei unter aller Kajüte, das Zusammenspiel am linken Flügel nicht existent und die Laufarbeit nicht ausreichend. Das Ergebnis ist ein defensiv anfällig linker Flügel, und da, wir alle wissen, die Verteidigung vorne beginnt, ist der Schuldige leicht ausgemacht: Podolski, Lukas.

Nun gilt es zwei Dinge vorauszuschicken, die ich vermutlich nicht vorausschicken bräuchte, es sei trotzdem getan: Natürlich ist mir bewusst, dass ich bei der Beurteilung der Leistung Podolskis die rot-weiße Brille aufhabe, wer selbst eine solche auf der Nase trägt – ob nun in wunderschönem rot-weiß oder abgrundtiefgrunzhäßlichen anderen Farben – wird wissen, dass eine solche nicht einfach so abzusetzen ist, bei allem Bemühen um Objektivität.
Und natürlich ist Lukas Podolski, einstmals Stürmer, in der Nationalmannschaft offensiver linker Außen, kein Verteidiger. Wird er auch niemals sein, sicherlich.

Trotzdem halte ich die These vom defensivfaulen Podolski für Kokolores. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sehe ich Podolski regelmäßig im Trikot des 1. FC Köln, und sehe ihn dort – umgeben von Spielern, denen das trickreiche, schnelle Spiel meistens eher weniger liegt – arbeiten. Nach vorne, nach hinten, seitwärts. Natürlich hat er auch dort immer noch jene typischen Podolski-Spiele, in denen er früh den Eindruck gewinnt, heute würde ihm wohl wenig gelingen und in Folge auch wenig versucht, doch diese lethargischen Spiele werden weniger.
Das zweite Argument ist schlagkräftiger, meines Erachtens jedenfalls, Gegenrede ist wie immer willkommen:
Zu einer gelungenen Defensivarbeit gehören – tatatata, Ladies and Gentleman, please welcome: The glorious Allgemeinplatz – alle elf Spieler. Zu einem gelungenen Defensiv- und Zusammenspiel auf einem Flügel gehören mindestens zwei Spieler, sofern wir denn über ein 4-2-3-1 oder Ähnliches reden. Neben dem offensiven linken Außen ist dies – oho! – der defensive linke Außen.

Außenverteidiger, linker. Nationalmannschaft. Wir denken scharf nach und landen bei Marcel Schmelzer, der nicht nur, mehr schlecht als recht, am vergangenen Freitag gegen Österreich auf dieser Position spielte, sondern auch in den beiden vorangegangenen Spielen, in denen Podolski mitwirkte. Und sonst so?

Ich bin mal nicht so und helfe nach. Alle linken Verteidiger der Nationalmannschaft aus Spielen, in denen a) Podolski mitwirkte und b) seit der Umstellung auf ein 4-2-3-1 System, also seit der Europameisterschaft 2008 (Es gab einige wenige Ausnahmen, in denen Podolski zweite Spitze spielte, die habe ich rausgelassen):

Phillip Lahm – 10 Spiele
Jérôme Boateng – 4 Spiele
Holger Badstuber – 4 Spiele
Marcel Schmelzer – 3 Spiele
Dennis Aogo – 3 Spiele
Heiko Westermann – 3 Spiele
Marcell Jansen – 3 Spiele
Marcel Schäfer – 3 Spiele

Das ist, ohne dem einen oder anderen zu Nahe treten zu wollen, eine Liste des Gruselns. Ich bin sicher, Schmelzer oder Boateng, vielleicht auch Aogo werden noch zu einem Außenverteidiger internationalen Ranges werden, aber eben: Sie werden werden. Nicht: Sie sind. Dass Lahm, ohne jede Konkurrenz der beste Außenverteidiger Deutschlands seit der zähneknirschenden Aufgabe des Liberos, diese Position mit Abstand am häufigsten spielte, sagt alles, ist doch eigentlich die rechte Außenverteidigerposition seine Bessere und Geliebtere.
Der eine oder andere wird möglicherweise noch zu einem guten – also: internationales Niveau – Innenverteidiger (Badstuber, Boateng) oder ist ein brauchbarer solcher (Westermann), aber linke Verteidiger sind sie nicht.

Was ich also sagen will: Podolskis Defensivarbeit ist sicher noch verbessungswürdig, der Mann ist ja schließlich gerade eben erst 26 geworden. In der Beurteilung des defensiven Spiels auf dem linken Flügel in der Nationalmannschaft möge man bitte nicht übersehen, dass dort im Defensivverbund in der Regel jemand steht, der dort (noch) nicht hingehört und selbst Hilfe braucht, statt Hilfe zu bieten. Nicht umsonst gehören die Spiele, in denen Phillip Lahm diese Position besetzte zu den besten Podolskis im Nationaltrikot.

12 Antworten auf „Der Flügel und Podolski oder auch: Der Feind in seinem Rücken“

    1. Ich halte das auch nicht für sehr wahrscheinlich, aber dennoch für möglich. Dafür müssten allerdings zugegebenermaßen noch ein paar Jahre der spielerischen Reifung ins Land gehen.

      Und schamesrot berichtige ich die Akzente.

    2. arrgh! Beim Captcha vertippt, und dann ist der ganze Kommentar weg?
      Herr Spielbeobachter, Herr Spielbeobachter!

      Was ich sagen wollte:
      1. der vermeintlich subtile Hinweis auf die Akzentzeichen war keiner.
      2. Ich traue Boateng durchaus zu, internationale Klasse zu erreichen. Aber eben innen und nicht außen.

    3. Das Captcha-Dingens ist leider nicht auf meinem Mist gewachsen, soweit ich weiß, kann ich das nicht ausschalten bei Twoday.

      Ich bin gespannt, auf welcher Position Boateng landen wird, wenn er denn beim FC Bayern spielen sollte. Oder ist das schon bekannt?

    4. Ich weiß es nicht. Aber ich sehe ihn noch nicht so recht an Lahm und Rafinha vorbeiziehen. Dann schon eher an den drei großen B: Badstuber, Breno und Buyten. Äh, Boateng. Omen?

    5. Ähm.. Hüstel.. .. ich muss zugeben, dass ich bei meiner letzten Antwort auf Dich den Transfer Rafinhas vergessen habe. Okay, okay – sollte dieser zu alter Schalker Form finden, wird Boateng sicher nicht auf den Außen spielen.

      Ich wollt ja auch eigentlich nur sagen, dass ich ihm das theoretische Potential, einen international akzeptablen Außen zu geben, nicht völlig absprechen will. Wenn auch aus der Not geboren, weil da sonst kaum jemand ist. Außer Schmelzer. Vielleicht. Eventuell.

    6. zu Heinzkamke da stimme ich Dir voll und ganz zu! Mich würde es auch sehr überraschen , wenn Boateng zu einem Aussenverteidiger mit internationaler Qualität heranreift. Ich habe ihn zwei mal beobachtet, als Aussenverteidiger beim HSV , einmal gegen Bochum und einmal gegen Leverkusen. Für mich ein lächerliches Auftreten. Wenn man nicht in der LAge ist, eine Seite zu spielen, dann sollte man sich eine andere Sportart suchen.

  1. Das Ding ist nur… Dieser Podolski mag deinen Ansichten nach defensiv ein ganz solider Spieler sein, doch das hilft ihm in der Stammplatzdiskussion nicht sehr weiter. Es gibt schließlich auch Spieler, die ihn auch im Offensivspiel übertreffen. Ein Schürrle zum Beispiel.

    1. Das wollen.. wir doch erstmal abwarten. Schürrle ist sicher ein guter Spieler, und ja, möglicherweise in Zukunft der Bessere. Noch seh ich das aber nicht. Meine Brille wohlmöglich, aber das Spiel gegen Österreich hat mich da eher bestätigt.

    2. Podolski hat schon mal ein Problem das er gar kein Linhsaußen ist. Er fühlt sich Zentral am besten aufgehoben. Was Podolski auf Links bringt ist eindeutig zu wenig. Jeder Gegner mit etwas Spielwitz nutzt diese Schwachstelle auf unserer linken Seite. So kann man kein Europameister werden. Warum versucht man es nicht mit Schmelzer und Großkreuz. Die beiden sind doch eingespielt. Hummels ist auch noch dabei. Das wäre doch schon ein richtiger Block Bayern/Dortmund.

  2. na endlich! meine rede! ich danke dir für diese doch objektive beurteilung. ganz genau so sehe ich es auch. dazu kommt auch, dass -zumindest in den letzten (wichtigen) spielen- die linke seite der nationalmannschaft grob vernachlässigt wurde. entweder lief alles zwanghaft über rechts -und das sah oftmals nicht gut, weil total verbissen aus- oder man lief sich im mittelfeld fest. es kam mir sogar so vor, als wolle man die linke seite gar nicht erst mitspielen lassen. und aus diesem grund: was soll ein podolski da machen? wild über das spielfeld laufen, mit den armen fuchteln, jedem dem ball abjagen und/oder sogar danach betteln? zu einer defensiven arbeit gehört nämlich auch, seinen zugeteilten spielraum einzunehmen, zu halten und mit zu verschieben. von daher macht er “fast” alles richtig.

  3. Bin wieder mal spät dran… Irgendwie schau ich hier zu selten rein. Deine Berichte sind wirklich klasse und spiegeln oft meine Meinung wieder. Was Podolski udn die N11 angeht, so sehe ich es eben genau wie du udn wünsche mir seit langem schon den Lahm wieder auf der linken Seite.
    Im übrigen hatte ich auch schon das ein oder andere mal das Gefühl, das generell mehr über rechts gespielt wird. In manchen Spielen hatte ich sogar das Gefühl Podolski wird gerne mal übersehen, obwohl er komplett blank steht. Aber natürlich kann man nciht immer den freien Mitspieler sehen und die Vereinsbrille lässt manches anders aussehen.
    Trotzdem sehe ich das Problem auch nicht ausschließlich beim Lukas.

    Noch ganz kurz zu der Schmelzer Großkreutz Variante. Das ist doch nicht ernst gemeint oder? Ich mein der Großkreutz ist kein schlechter Spieler, aber an einen Podolski kommt er noch lange nicht ran. Dann eher ein Schürrle, aber der muss auch erstmal zeigen, dass er ind er N11 konstant gute Leistung bringen kann.

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