Platzstürme, das Spektakel und das Gesetz vom heiligen Rasen.

An Tagen wie diesen scheint eine Differenzierung besonders schwer zu fallen und es wird zusammen geworfen, was nicht zusammen gehört.
Zweimal wurde das gestrige Relegationsspiel aufgrund der Zuschauer unterbrochen. Das erste Mal, als in der 60. Minute Fans beider Mannschaften zeitgleich bengalische Feuer entzündeten und aus dem Gästeblock jede Menge dieser Fackeln auf das Spielfeld geworfen wurden. Und das zweite Mal, als Fortuna-Fans, in der irrigen Annahme das Spiel sei abgepfiffen worden, in der durch den ersten Vorfall nötig gewordenen Nachspielzeit das Feld stürmten, um den Aufstieg zu feiern.

Und so wird der gestrige Abend in einen Zusammenhang gebracht mit den Vorkommnissen im Relegationsspiel zwischen dem KSC und dem Jahn aus Regensburg, als frustrierte KSC-Anhänger nach dem Spiel randalierten und 76 Verletzte eine deutliche Sprache sprechen; mit dem Saisonende in Köln, als zum Spielende schwarze Rauchtöpfe die Südtribüne kurzzeitig verschwinden ließen; mit den Platzstürmen in Frankfurt in der vergangenen Saison und in Berlin in der Saison davor; mit Pyroeinsätzen in diesem und jenem Stadion an einem ganz normalen Spieltag. Alles ganz schlimm, Untergang des Abendlandes allerorten.
Dabei fällt es eigentlich nicht schwer, unterschiedliche Motivlagen zu erkennen: Der Düsseldorfer “Platzsturm” gestern Abend war nichts weiter als ein verfrühtes Feiern auf dem Rasen, vermutlich reichte es, dass zwei, drei Fans zu früh losstürmten, um die feierwütige Masse mit sich zu reißen. Diese jubelnden Zusammenkünfte auf dem Grün sind mittlerweile völliger Usus geworden – man denke zum Beispiel an die Dortmunder Meisterfeier, als die BVB-Spieler improvisiert die Meisterschale auf der Tribüne in Empfang nehmen mussten, weil der Rasen voll war. Dass die gestrige feierliche Zusammenkunft zwei Minuten zu früh stattfand, zeugt allerhöchstens von Dummheit und schlechter Ordnerorganisation, denn die den Rasen stürmenden Fans waren zu dem Zeitpunkt längst über die Banden und Balustraden geklettert und standen, zwar außerhalb des Spielfeldes, im Innenraum.

Von anderer Qualität waren sicherlich die Berliner Fackelwürfe. Ich bin in der bisherigen Pyrodiskussion eher unentschiedener Meinung gewesen, das Abbrennen bengalischer Feuer ist durchaus ein hübscher Anblick, die Verfolgung dessen nimmt manches mal absurde Ausmaße an, die mediale Doppelmoral (Südliches Ausland: Ooh! Aah! Toll! Atmosphäre! Temperament! – Hierzulande: Chaoten! Krawallmacher! Terroristen!) ist hochnotpeinlich – das aber so oder so bestehende Gefahrenpotential macht es mir schwer, Pyroeinsatz uneingeschränkt zu verteidigen. “Kontrolliertes Abbrennen” ist eine Bedingung, auf die sich viele Pyrobefürworter einlassen wollen, allein, es gibt Anlass zu der Sorge, dass die meisten der derzeitigen Pyrofreunde an einem solchen zeitlich und örtlich reglementierten Abbrennen gar kein Interesse hätten. Aufmerksamkeit lässt sich somit nämlich kaum erzielen.
Was ist also los? Warum gibt es plötzlich eine Häufung von Platzstürmen und Gegenständen, die auf das Feld fliegen? Gibt es sie überhaupt oder ist nur die mediale Überwachung so groß geworden, seitdem jedes Spiel, jeder Spieler und auch jede Bewegung des einzelnen Fans in zwölf verschiedenen Kameraperspektiven ausgeleuchtet wird, dass jede noch so kleine Regung übergroß wirkt?

Wenn wir mal davon ausgehen, dass an beidem ein Stück Wahrheit klebt, bleibt also die Frage, warum diese Häufung? Eigentlich haben DFL, DFB und die Vereine aus ihrer Sicht doch alles getan, um solche Vorkommnisse einzugrenzen: Die Stadien versitzplatzt, die Eintrittpreise dementsprechend angehoben, Familienblöcke und rauchfreie Stadien eingeführt, alkoholfreie Hochsicherheitsspiele etabliert. Unsere Stadien sollen schöner werden und gemeint ist damit auch immer: sicherer, familienfreundlicher, kontrollierbarer. Doch Platzstürme und fliegende Gegenstände häufen sich. Trotzdem. Oder gerade deswegen.

Immer häufiger nämlich, so meine These, haben aktive Fußballfans, jene, für die ihr Fußballverein die größte Priorität im Leben darstellt, das Gefühl, ohnmächtig und ungewollt am Rande zu stehen. Jene, häufig Ultras – was hier aber von sekundärer Bedeutung ist – die oft nicht zu Unrecht den Eindruck haben, dass ihr Beitrag zur Stimmung, die wiederum gewichtiger Bestandteil bei der sich mit klingender Münze auszahlenden Spektakelisierung ist, zwar gerne gesehen und sogar einfordert wird, sie über dieses Engagement hinaus aber nicht erwünscht sind. Was bleibt ihnen also, um die Aufmerksamkeit zu erlangen? Stimmungsboykotte führen in der Regel maximal dazu, dass hinterher festgestellt wird, die Stimmung sei schlecht gewesen, fortbleiben ist keine Alternative. Also bleibt nur das tatsächliche sich-sichtbar-machen, das im Mittelpunkt stehende Grün mit Körpern zu bevölkern, sei es den eigenen oder Brennkörpern oder wenigstens die Distanz zwischen Kamera und Rasen zu bewölken.

Natürlich liegt dieser These eine Subthese inne, die auf den ersten Blick unsinnig erscheint: Die nämlich, dass es früher – wenn es denn stimmt, dass es zu einer Häufung gekommen ist – anders war, die aktiven Fans mehr Einfluss, mehr Sichtbarkeit hatten. Das wäre so natürlich in der Tat Unsinn. Schon immer gab es Spieler, deren Unfähigkeit oder Phlegmatismus den eigenen Verein in den Abgrund stießen – ohne dass sie die Fans dazu um Meinung gefragt hätten. Und vermutlich kann man sagen, dass Vereinsführungen in früheren Zeiten noch autokratischere und autoritärere Züge hatten. Was sich allerdings im Zuge der Spektakelisierung verändert hat, ist der allseitige Erwartungs- wie auch Finanzdruck: Zwar ist auch die zweite Liga heutzutage jede Saison “die beste zweite Liga aller Zeiten!”, doch die richtige Show gibt es nur im Oberhaus. Dass der finanzielle Schaden eines Abstieges und die damit verbundene Androhung der Bedeutungslosigkeit des Vereins größer geworden ist, steht außer Frage. Die aktiven Fans, jene, die möglicherweise 34 Spiele ihres Vereins in den Stadien verfolgen, haben das Gefühl, dass ihr Aufwand ihnen ein Anrecht auf gute Leistungen auf dem Platz und in den Führungsetagen gibt, alles andere wird als Verstoß gegen dieses Recht empfunden. Die Medien brauchen und fordern Stimmung, gute wie schlechte – als das Kölner Stadion am Abstiegstag in den letzten Minuten in schwarzen Rauchwolken verschwand, beschwerte sich das Fernsehen ob der dadurch verhinderten “emotionalen Bilder der Trauer”. Und auch die weniger aktiven Fans möchten ihr ganz großes Erlebnis haben, der Düsseldorfer Platzsturm ging gestern von den Sitzplätzen aus, die dort heimischen Zuschauer wollten nur das, was die Dortmunder knapp anderthalb Wochen zuvor hatten und vom Fernsehen als Bilder der ungebremsten Freude gefeiert wurde.

Was kann also getan werden? Was die DFL und DFB tun werden, lässt sich leicht ausrechnen, in einer ersten Pressemitteilung zum gestrigen Abend wird ausschließlich von “Randalierern und Gewalttätern” gesprochen, für die ziemlich offensichtliche Erkenntnis, dass weite Teile der “Vorkommnisse” ganz sicher dumm, möglicherweise auch ahndungswürdig waren, in keinerweise aber mit Randale und Gewalttätigkeit zu tun hatten, fehlt es den Herren offenbar an intellektueller Kombinationsfähigkeit. Schlimmste Konsequenzen sind zu befürchten, die richtigen werden nicht dabei sein.
Doch niemand seitens der Fans und Zuschauer mache es sich zu einfach, auch hier ist ein Umdenken erforderlich. Der erste Schritt sollte das von mir sogenannte Gesetz des heiligen Rasen sein: Wut, Trauer, Freude – alles erlaubt. Doch der Rasen ist tabu, für die Zuschauer und für, für die sportlichen Akteure gefährliche, Gegenstände oder sonstiges sowieso: Kein Fuß, keine Münze, kein Bierbecher, keine Pyrotechnik. Ohne Ausnahme. Wer sich nicht daran hält, fliegt aus der Kurve, aus der Gegengerade, aus dem Stadion. Wer nicht in der Lage ist, seine Emotionen soweit unter Kontrolle zu haben, dass er vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckt – und nichts anderes ist der Münz- oder Fackelwurf – lässt die Grundvoraussetzung missen, die notwendig ist, um sich mit vielen zehntausend anderen in emotionaler Atmosphäre auf engstem Raum aufzuhalten, hat das Anrecht sich in einem Fußballstadion aufzuhalten, verwirkt. Und nein, das ist kein Ruf nach Stadionverboten – DFL, DFB und Polizei haben oft genug bewiesen, dass sie nicht in der Lage sind mit diesem Sanktionsmittel in rechtsstaatlicher Weise umzugehen – sondern nach einem selbstauferlegten Ethos der Fußballzuschauer.
Und schließlich muss Schluss sein mit der medialen Doppelmoral, die permanent ein Höher-Weiter-Größer fordert und fördert, nicht nur beim sportlichen Tun auf dem Rasen, sondern auch bei der in die Fernseher der Republik übertragbaren Eventisierung des Fußballs, die aber gleichzeitig Auswüchse wie die von Frust getragenen Abstiegsplatzstürme anklagt, um daraus sofort das nächste Spektakel zu basteln.

Wer Emotionen und nicht nur von oben choreografierte Klatschpappenstimmung in einem Fußballstadion will, muss damit leben, dass diese nicht immer in Gänze zu kontrollieren und zu steuern ist. Wer seine Emotionen in einem Fußballstadion, ob in Form von Unterstützung seiner Mannschaft oder als neutraler Fußballliebhaber, ausleben möchte, muss lernen sich zu kontrollieren. So einfach ist das.

6 Antworten auf „Platzstürme, das Spektakel und das Gesetz vom heiligen Rasen.“

  1. Der Schwarze Peter wird wieder gewinnen Verehrter Herr Spielebeobachter, wie nicht anders zu erwarten wieder ein höchst lesenswerter Artikel. Doch in einem Punkt musste ich geradezu aufstoßen – es geht um den von Dir angemahnten Ruf “nach einem selbstauferlegten Ethos der Fußballzuschauer”. Ich bin sicher, das Prinzip der menschlichen Evolution ist dafür einfach nicht ausgelegt. Das scheint mir eine Utopie.
    Einen anderen Punkt kann ich etwas mehr aber nur zum Teil nachvollziehen. Es geht um die Zusammenhänge der jüngsten Platz- und Bengalo-Aktionen mit den dahinter steckenden unterschiedlichen Motivationen. Darin mag viel Richtiges stecken, doch wenn solche Horden (bewusst gewählt) den Platz stürmen, dann ist a) die Motivation nicht immer sofort erkennbar und b) für Spieler und Angehörige der Mannschaften auf dem Platz wahrscheinlich auch vollkommen egal – und das zu Recht! Ich habe noch die Bilder aus Frankfurt im Kopf – Fans, die mit Holzlatten wild um sich schlugen. Da darfst du dich als sportlich Verantwortlicher vor Ort gar nicht die Zeit zur Hinterfragung nehmen.

    Ich sehe das Problem weniger in mangelnder Differenzierung in den Medien. Differenzierung ist nicht genügend vermarktungsfähig. Ich wähne das Problem vor allem bei den Vereinen, die sich mit himmelschreienden Phrasen wie “das sind nicht unsere Fans” oder “es kann nicht sein, das… ” stets jeder Verantwortung und jeden nachhaltigen Handelns entziehen. Stadionverbote und Vereinsausschlüsse sind Maßnahmen, die sich von Vereinen durchaus umsetzen ließen, wenn man es wollte!! Der 1. FC Köln hat sich noch vor Kurzem damit gebrüstet seit über 20 Jahren niemanden aus dem Verein ausgeschlossen zu haben. (Bin Mitglied und Fan des FC, wie Du weist.) Mein Eindruck ist, die Vereine versuchen mit Aktionismus, wie Entzug von Fanclub-Privilegien, nach Außen tatkräftig zu wirken, wollen sich aber überhaupüt nicht von solchen Fans trennen. Sie müssten nämlich mit offenem Widerstand rechnen und das scheuen alle, wie der Teufel das Weihwasser.
    Statt dessen hört man z. B: in den neuen… neueren Bundesländern schon mal von Perspektivlosigkeit und gesellschaftlichen Problemen, die der Gewaltbereitschaft in Stadien Vorschub leisten sollen. Na klasse: Da haben wir jetzt also einen Schwarzen Peter, der in den nächsten Jahrzehnten wunderbar weitergeschoben werden kann.
    Ich bin seit 1999 (bis derzeit Winter 2011/2012) ziemlich regelmäßig im Stadion und ich teile die Beobachtung zunehmender Aggressivität und zunehmender Bengalo-Affinität. Was Letzteres angeht: Sind Bengalos Kulturgut? Lässt sich Feuer in einem gefüllten Zuschauerbereich “kontrolliert” abbrennen? MUSS das sein? – Nein. Nein und Nein. Messer, Gabel, Schere Licht… besser ist es. Die Gas-Tröten sind auch verbannt worden und das a) zu recht und b) ohne, dass sie wahrnehmbar vermisst werden. Bengalos gehören raus.

    Ich fürchte, der Deutsche Fußball bzw. die Vereine werden den Punkt, an dem sie nachhaltig eingreifen könnten um Jahre verpassen. Es muss erst Opfer geben, dann müssen sich erst wieder Politiker profilieren und ganz zum Schluss erst wird Zeit für die vernünftigen, differenzierenden und kompetenten Leute Platz da sein, um etwa zu bewegen. Meiner unwichtigen Einschätzung nach wird das etwa im 22. Jhr. passieren.
    Mit besten Grüßen 😉

    1. Nun ganz offensichtlich halte ich einen selbstauferlegten Ethos nicht für völlig utopisch. Das muss gewollt sein, klar, und auch konsequent durchgezogen werden. Aber wenn, gerade in den Kurven, eine Stimmung vorherrscht, dass das da “unser Rasen ist, der heilig ist und nicht von niemandem betreten oder beschmutzt werden darf”, dann kann das gehen.
      Und ich glaube, dass das nur so gehen kann. Von Stadionverboten halte wenig bis gar nichts, weil die Vergangenheit einfach sehr deutlich gezeigt hat, dass weder die DFL, noch die Vereine, noch die Polizei in der Lage sind – oder willens sind – mit diesem Instrument in einer Art und Weise umzugehen, die mit einem demokratischen Rechtsstaat vereinbar wäre. So gut funktioniert die Überwachung dann nämlich doch noch nicht, bzw. interessiert nicht, jedenfalls muss man zu dem Schluß kommen, wenn man weiß, dass es unzählige Menschen gibt, die über Jahre kein Stadion in Deutschland betreten dürfen, weil sie neben jemand gestanden haben, der irgendwas illegales tat, und sei es friedlich einen Joint geraucht hat. Summasumarum: Stadionverbote funktionieren nicht, jedenfalls wenn wir an Fußballstadionbesucher mit den gleichen rechtsstaatlichen Maßstäben messen wollen wie alle anderen Menschen.

      Und doch, die Differenzierung ist dringend notwendig. Ich hätte jedes Verständnis, wenn die geworfenen Bengalos diese Schlagzeilen heute verursacht hätten, aber nicht dass der verfrühte Freudenplatzsturm als “Randale, Gewalt und Blutbad” beschrieben wird. Das ist schlichtweg an der Wahrheit vorbei gelogen. Natürlich hast Du recht: In der Situation gestern war es für die Verantwortlichen nicht zu überblicken, was da jetzt geschehen würde, aber in der Nachbetrachtung darf ich schon ein wenig mehr Analysefähigkeit von Journalisten und Funktionsträgern erwarten. Ich empfehle dazu das vom Kicker weiter unten aufgeführte Zitat von Fanforscher Pilz: http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/569121/artikel_schickhardt_mit-todesangst-leichenblass-in-der-kabine.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#omrss_news_fussball

  2. Abbitte Ohne jetzt konkret auf Deinen Text eingehen zu können (vielleicht auch zu wollen, ich nutze heute die mir zur Verfügung stehenden Verdrängungsmechanismen recht intensiv), möchte ich nur kurz Abbitte leisten.

    Ich hatte ein wenig Sorge gehabt – und Dir damit furchtbar unrecht getan, und das hätte ich auch wissen müssen -, dass Deine mir zuletzt ein wenig zu präsente Anti-Düsseldorf-Haltung hier Niederschlag finden würde. Sorry.

    1. Dann .. .. sollte ich nicht erwähnen, dass es mir ja schon fast unangenehm ist, die Düsseldorfer hier und anderswo quasi zu verteidigen.
      Nee, ernsthaft, lemminghafte Dummheit ist leider kein Düsseldorfer Alleinstellungsmerkmal. Das unrühmliche Ende dieses Spiels hätte genauso gut bzw. schlecht in den meisten anderen Fußballstadien passieren können.

  3. Der Appell an den Ethos ist löblich, aber gerade in einer emotional aufgeheizten Stimmung – so fürchte ich – wird er zu oft verhallen. Will sagen: Wer Pyrotechnik auf den Rängen abbrennt wird das Ding vielleicht auch irgendwann werfen, wenn er sich provoziert fühlt – und dieses “Gefühl” der Provokation kann eben ganz schnell auftreten. Appelle daran, sich “zu kontrollieren”, sind bei einigen eben fruchtlos. Das muß man einfach als Tatsache feststellen. Daher ist es z. B. entschieden zu befürworten, dass sämtliche Pyrotechnik verboten wird.

    Offensichtlich ist aber ein Verbot in der Praxis ungemein schwierig umzusetzen. Wenn man vor den Stadien nicht Wartezeiten wie bei Transatlantikflügen in Kauf nehmen will, muss man mit anderen Sanktionen Respekt erzeugen. So hätte ich nichts dagegen, wenn die Bengalos auf irgendeine Art und Weise mit Wasserwerfern gelöscht würden (bei vorübergehendem Spielabbruch natürlich). Auf grobe Klötze gehören zuweilen auch grobe Keile. Auch Stadionverbote ließen sich umsetzen – die Personalisierung der Eintrittskarten ist zwar mühselig, aber machbar. Ferner müssten die Vereine (oder, besser, die DFL) die Kosten der Polizeieinsätze übernehmen, die über das normale Maß hinaus gehen. Es kann nicht angehen, dass Balltreter Millionengehälter bekommen, zum Teil marode Städte jedoch Polizeieinsätze und Überstunden bezahlen müssen. – Diese These vertrete ich übrigens schon seit meiner Jugend: Meine Wohnung war genau in der Mitte zwischen Hauptbahnhof und Bökelstadion – da konnte man so einiges sehen und bei vielen Vereinen war es besser, samstags nach 12 Uhr nicht mehr auf die Straße zu gehen.

    Hieraus resultiert auch meine Sorge, die Aktionen der sogenannten Jubelstürme zu verharmlosen. Ja, es war Jubel (mit Bengalos übrigens – dabei zeigte sich nach dem Abpfiff ein offenbar zeitweilig gehirnamputierter Düsseldorfer Kapitän mit eben einem solchen Bengalo). Aber weiß ich das, wenn eine Horde Fans auf den Platz stürmt? Ich habe früher zwei Mal solche Aktionen in Mönchengladbach auf der Straße erlebt. Man geht gegen 20 Uhr über die Straße und plötzlich kommen Gladbacher Fans und die von der Auswärtsmannschaft aufeinander zugelaufen. Ich selber mittendrin. Wenn ich fliehe, werde ich von einer Gruppe als der “Gegner” erkannt und ziehe evtl. Interesse auf mich. Also bin ich stehengeblieben. Passiert ist nichts, obwohl einmal Steine flogen. Schön ist aber anders. Und ich will das nicht haben. Weder im Stadion noch “draußen”.

    Ja, es redet keiner von Karlsruhe-Regensburg mehr und alle von Düsseldorf-Hertha. Das ist falsch und oberflächlich, aber eben medienimmanent: Wo die Kameras stehen, wird gesendet. Und das bleibt. Und natürlich tragen auch die medien durch das permanente Anheizen von Stimmungen (“Endspiel”; “Schicksalsspiel”) zu einer Emotionalisierung bei, mit der einige eben nicht fertig werden. Auch hier wäre eine Abrüstung nötig. Ich wäre auch dafür, die Relegationsspiele wieder abzuschaffen.

    Desweiteren sollte man endlich von seiten der Vereine und der DFL Maßnahmen ergreifen, solche Übergriffe richtig zu sanktionieren. Dazu gehören Geisterspiele und auch Punktabzüge. Distanzierung und Wortgeplänkel reichen nicht mehr. Geld für die entsprechenden Maßnahmen gäbe es im Übermaß. Ich erwarte, dass hier – auch im Interesse derjenigen, die sich für Fußball nicht die Bohne interessieren und zum Teil nicht zumutbare Einschränkungen zu ertragen haben – endlich gehandelt wird.

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